36 - Das Vermächtnis des Inka
Diener. „Das ist ja ein Gefängnis. Hält man uns für Räuber oder Diebe, was der Lateiner einen Expilator und Bulturius nennt?“
„Det jloobe ick nicht“, antwortete Fritz. „Nach sonne freundliche und höfliche Empfänglichkeit werden sie uns doch nich insperren! Ick bin vielmehr von diejenigte Ansicht, dat man mit uns die nobelsten Absichten kultiviert. Jehen wir also man rin! Raus werden wir schon wieder kommen, und wenn's jeschmissen statt jejangen ist.“
Die anwesenden Soldaten salutierten nach Vorschrift, und die Herren traten ein. Die beiden Deutschen wurden über einen Innenhof und eine Treppe nach einigen ganz komfortabel eingerichteten Zimmern geführt, an deren Eingang sich die Offiziere verabschiedeten. Dabei bemerkte der Kapitän: „Ein Imbiß wird unverzüglich besorgt und ebenso eine Ordonnanz kommandiert werden. Bin heute Kommandant, da der Herr Major nach Paraná mußte. Haben der Herr Oberst – Pardon, wollte sagen der Herr Zoologe einen Befehl?“
„Keinen Befehl, sondern eine Bitte. Lassen Sie doch schnell nachfragen, ob ein Yerbatero, der zugleich Sendador ist und schlechthin Vater Jaguar genannt wird, vorgestern oder gestern hier in Santa Fé ankam. Ich muß wissen, wo er logiert.“
„Kam er mit dem Schiff, Euer Gnaden?“
„Ja, aus Buenos Aires.“
„Dann hoffe ich binnen einer halben Stunde rapportieren zu können.“
Er trat ab, und kurze Zeit später meldete sich ein Unteroffizier zum persönlichen Dienst und servierte zugleich Fleisch, Brot, Früchte und Bordeauxwein, welcher am La Plata viel getrunken wird.
„Dat muß man sagen“, meinte Fritz, „dat Militär hat doch immer Lebensart. Ick ärgere mir noch heut, daß ick nicht assentiert worden bin. Bei meine moralische Veranlagung hätte ick mir jewiß bald weit in die Höhe afanziert und könnte heut auch mit dem Schleppsäbel und Portepee rasseln. Jreifen wir zu, Herr Doktor, ich werde injießen.“
Er füllte die Gläser. Die beiden aßen und tranken, gemütlich nebeneinander sitzend, woraus der Unteroffizier natürlich schloß, daß Fritz Kiesewetter nicht ein Diener, sondern auch ein höherer Offizier sei. Fritze genoß das Gebotene mit heiterem Mut, dem Doktor aber kam die Sache doch nicht ganz geheuer vor; er meinte in bedenklichem Ton: „Man nannte mich Coronel, also Oberst. Ich bin ein Jünger der friedlichen Wissenschaft und kein argentinischer Partisan. Wie also komme ich zu diesem militärischen Grad?“
„Jedenfalls wie der Pudel zur sauren Jurke, indem er sie für eine Wurst jehalten hat. Machen Sie sich nur keine Jedanken! Mir können sie meinetwejen Jeneral nennen, ick bleibe, wat ick bin, und esse mit Vergnüjen, wat uns die Ordonnanz aufjetafelt hat.“
„Aber, Fritze, scheint es nicht, daß ich mit einem Offizier verwechselt werde?“
„Dat ist die Möglichkeit, aber noch kein Fehler, solange Sie sich nicht mit sich selbst verwechseln.“
„Aber dieser Irrtum, lateinisch Error genannt, kann uns sehr leicht in Verlegenheit bringen.“
„Zunächst hat er uns zu dieses Jabelfrühstück jebracht, wat ick keinen Irrtum nennen möchte. Man hat sich im Jegenteil in mich jar nicht jeirrt, sondern ick jreife zu, solange wat zu haben ist.“
„Aber die Folgen! Fritze, Fritze, du scheinst ein wenig von der Eigenschaft zu besitzen, welche der Lateiner mit dem Worte Levitas bezeichnet.“
„Wie wird dieses Wort ins Deutsche übersetzt?“
„Leichtsinn.“
„Dat kann nicht stimmen, Herr Doktor. Haben die Römer jehungert, wenn sie wat zu essen bekamen.“
„Ich glaube nicht.“
„So kann mir auch kein Römer Levitas nennen, wenn ick mir dahin setze, wo ick jespeist werden soll.“
Da erschien der Kapitän und meldete in strammer Haltung: „Der Vater Jaguar ist gestern nachmittag hier angekommen und heute früh mit dreiundzwanzig Erwachsenen und einem Knaben nach der Laguna Porongos aufgebrochen.“
„Zu Pferd?“
„Ja. Zwanzig seiner Begleiter haben einige Tage lang hier auf ihn gewartet.“
„Ich muß ihm nach. Können Sie uns Pferde verschaffen?“
„Ganz zu Befehl! Wie viele, Euer Gnaden?“
„Zwei als Reserve, also vier Stück.“
„Auf Requisition oder vom Regiment?“
„Vom Regiment nicht, da ich nicht soldatenmäßig zu reiten verstehe.“
„Also auf Requisition“, meinte der Offizier mit einem feinen Lächeln, da der angebliche Oberst sagte, daß er nicht reiten könne. „Wann befehlen Euer Gnaden, daß die Pferde gesattelt bereitstehen?“
„In einer
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