3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
am Genfer See bin und Genf nicht mehr weit ist. Angesichts der Tatsache, dass die letzten Kilometer bis Genf eine einzige Einflugschneise für den internationalen Flughafen sind und alle 5 - 10 Minuten ein Flugzeug zur Landung ansetzt, ist es schon fast lächerlich, dass diese schöne, aber laute Gegend sicher eine der teuersten in der Schweiz und Europa ist.
Während ich an den palastähnlichen Villen mit Park vorbeilaufe, frage ich mich außerdem, ob diese Millionäre einem Pilger wie mir, würde ich klingeln und fragen, ähnlich unkompliziert wie David und seine Familie, Obdach gewähren würden. Hätte nicht schlecht Lust, es drauf ankommen zu lassen und es zu versuchen.
Als ich dann endlich Genf erblicke, läuft es mir wieder eiskalt den Rücken herunter und ich habe ein echt geiles und euphorisches Gefühl , endlich das erste Land auf meiner Pilgerreise zu Fuß bewältigt und in 19 Lauftagen 452 Kilometer vom Bodensee bis nach Genf zurückgelegt zu haben.
Genfs Wahrzeichen, der Jet d’eau, der mit einem Druck von 5000 Litern Wasser in der Sekunde mit einer Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde bis auf eine Höhe von 140 Metern schießt, begrüßt mich schon von weitem. Ich laufe in Genf, als könnte ich nicht genug bekommen, noch eine ungewollte kleine Ehrenrunde, um zur Jugendherberge zu kommen.
Die liegt zwar in einer ziemlich heruntergekommenen Gegend, ist aber etwas günstiger als das Beau Rivage und, wen wundert’s, sogar die mit Abstand günstigste Herberge der Stadt. Dafür ist dann auch jede Menge los und wenn ich mich nur umschaue, habe ich schon das Gefühl, Menschen aus allen Kontinenten zu sehen. Ich habe Glück, ohne Vorreservierung noch ein freies Bett zu bekommen. Das Glück hätte ich während der Fußball-Europameisterschaft, die in 5 Tagen beginnt, sicher nicht gehabt.
Da es bei meiner Ankunft nur noch für kurze Zeit Abendessen gibt, geh ich verdreckt, verschwitzt und mit meinem Rucksack in den Speisesaal, um mir erst mal meinen ausgehungerten Magen vollzuschlagen. Hier ist es zum Glück jedem egal, dass ich so abgerissen aussehe und so gesellt sich Joe aus New York zu mir und wenig später auch Dante aus Indien und Dave aus Kanada. Es entwickelt sich ein nettes Gespräch und sie verstehen sogar mein Englisch, wenn ich mit vollem Mund rede.
Nach dem Essen gehen die drei los, um ein paar Bier zu besorgen. Ich bitte sie, mir ein bisschen Flüssignahrung mitzubringen und wir verabreden uns für später. Nach einer, wieder mal göttlichen, heißen Dusche mit vollem Magen (wie wunderbar), treffe ich die Jungs im Fernsehraum wieder. Da das Wetter nicht zum Rausgehen einlädt, hängen wir eben hier ab. Wir lernen noch Annett aus Colorado kennen und den Franzosen Antoine, der so was wie Berufs-Barkeeper-Jongleur ist, hier an einem Wettbewerb teilnimmt und uns mit seinen Flaschenjonglierkünsten zum Staunen bringt.
Zum Staunen bring ich meine neuen Freunde auch, als ich ihnen erzähle, dass ich gerade zu Fuß durch die Schweiz gelaufen bin. Aber als ich ihnen erzähle, was ich noch vorhabe und dass noch fast 2.000 Kilometer vor mir liegen, erklären sie mich für völlig verrückt.
Es wird ein lustiger Abend und es ist echt schön, mal wieder in Gesellschaft junger reisender Menschen zu sein. Joe, Dante, Dave und Annett haben alle ein Eurail-Ticket, das internationale Pendant zum Interrail-Ticket, und sind mit Zügen quer durch Europa unterwegs. Ich hatte auch mal ein Interrail-Ticket und finde, dass es, gerade wenn man jung ist und gerne Zug fährt, eine tolle Art ist zu reisen.
Gänsehautmoment des Tages: Mein erster Blick auf Genf und den Jet d’eau!
Dienstag, 3. Juni, 22. Tag:
“Lauffrei” in Genf (von wegen...)
Obwohl ich ja heute eigentlich wirklich einen lauffreien Tag einlegen wollte, ohne zu arbeiten, und mir allenfalls mal Genf ansehen wollte, bin ich für 09:00 Uhr morgens verabredet. Annett, Joe, Dante und Dave waren mir so sympathisch und wir hatten so viel Spaß, dass sie mich allen Ernstes zu einer Tour überreden konnten, und zwar zu einer Wandertour! Spätestens jetzt steht es fest: Ich bin wirklich verrückt!
Damit ich also das Wandern nicht ganz verlerne, fahren wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln, was ganz ungewohnt ist für mich, zum Hausberg von Genf und fahren mit der Seilbahn zum Gipfel. Na, wenigstens wandern wir nicht auch noch hoch. Auf der Fahrt nach oben und vom
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