3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
anscheinend wenig Menschen in diesem Land Englisch sprechen, vor allem nicht in den ländlichen Gegenden, und es außerdem zu wenig Bänke gibt, auf denen man mal eine Pause machen kann.
Kaum habe ich mich über die mangelhaften Sprac hkenntnisse beklagt, spricht die Bäckereifachverkäuferin im wahrscheinlich kleinsten Dorf Frankreichs tatsächlich Englisch!
Ich kann es nicht fassen! Als wir dann das Dorf hinter uns gelassen haben, finde ich natürlich wieder einen Grund zu meckern (nicht ernst gemeint, versteht sich). Diesmal sind es die fehlenden Bänke und kaum habe ich es ausgesprochen, taucht tatsächlich wie aus dem Nichts eine auf! Tja, es ist ja nicht das erste Mal, dass der Jakobsweg eben immer irgendwie das für Dich bereithält, was Du gerade brauchst.
Ich mag also die Tatsache nicht , dass es zu wenige Bänke gibt in Frankreich, ich mag das Panorama nicht, ich mag die Idylle nicht, ich mag die schöne Landschaft nicht, ich mag das schöne Wetter nicht, ich mag nicht zu zweit zu laufen und so weiter... Claudia und ich lachen uns halbtot und kriegen uns kaum ein. Ich genieße es total, endlich mal wieder nicht alleine laufen zu müssen und auch noch eine so sympathische Weggefährtin gefunden zu haben.
Abends erreichen wir Saugues, dass im 18. Jahrhundert traurige Berühmtheit erlangte durch einen riesigen Wolf, La Bete du Gevaudan, der Bestie, die jahrelang in der Gegend ihr Unwesen trieb und über 100 (!) Menschen tötete. Nicht einmal vom König entsandte Truppen aus Paris konnten ihn zur Strecke bringen. Endlich, nach Jahren der Angst, wurde der menschen-fressende Wolf von einem einheimischen Jäger erlegt. Kurz bevor es nach Saugues hinabgeht, erwartet auch uns ein riesiger Wolf. Das aus Holz geschnitzte Wahrzeichen von Saugues ist ungefährlich, schaut dafür aber umso grimmiger auf die Stadt herab.
Nach ungewöhnlichen Komplikationen bekommen wir dann doch noch die Gite, in der wir übernachten wollten, weil sie sich in meinem Wanderführer so verlockend angehört hatte. Zuerst muss aber noch geklärt werden, ob die Gite im Ort schon voll ist, weil man wohl nur dann in der anderen, etwas außerhalb liegenden übernachten darf. Für unsere Geduld werden wir dann aber mit einer nicht gerade schönen, aber schön gelegenen Gite belohnt, die gerade mal 6,70 Euro pro Person kostet, an einem See liegt und die wir ganz für uns haben.
Trotz offiziellen Verbots und spießigen Anglern, die wohl Angst um ihre Fische haben und uns mit der Polizei drohen, lassen wir es uns natürlich nicht nehmen , noch ein Bad im See zu nehmen und uns von der Abendsonne auf dem Steg trocknen zu lassen. Herrlich!
Anschließend kochen wir uns ein leckeres Abendessen . Ich muss, glaube ich, nicht erwähnen „was“, und genießen es draußen mit französischem Rotwein und schöner Abendstimmung! Ein rundum schöner Tag, auch wenn ich siffige Gites tatsächlich nicht mag!
Fazit des Tages: Es würde mir den Rest geben, einen Franzosen zu treffen, der mir, weil ich Verständi-gungsprobleme mit einem Finnen habe, in fließendem Deutsch anbieten würde, simultan zu dolmetschen.
Pilger -Exoten des Tages: Zwei ca. 60 Jahre junge Pilgerinnen von den amerikanischen Jungferninseln!
Sonntag, 22. Juni, 41. Tag:
Saugues - Domaine du Sauvage, 19 km
Die heutige Etappe wird, nicht zuletzt auch durch meine nette Begleitung, wieder sehr schön und Mary Ellen hat immer noch Recht, die Landschaft wird langsam so atemberaubend schön, dass mir langsam die Worte fehlen. Claudia und ich haben nicht nur viele lustige Momente, sondern führen auch ernsthafte und wirklich gute Gespräche.
Am frühen Abend kommen wir in der Domaine du Sauvage an, einem Gutshof aus dem 13. Jahrhundert, der früher den Tempelrittern gehörte. Diese Herberge schießt den Vogel ab. Sie ist so märchenhaft idyllisch gelegen, dass mir, ja richtig, wieder die Worte fehlen. Außer ihrer traumhaften Lage ist die Gite sehr urig, sauber und schön. Wer den Film “Saint Jacques, Pilgern auf Französisch” gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Es ist die erste Herberge (die anderen Etappenziele werden im Film übersprungen), in der sie übernachten.
Jedem , der diesen Film übrigens nicht gesehen hat, rate ich zur Vorsicht: Sie könnten noch mehr Lust auf den Jakobsweg bekommen! Als wir einchecken und unseren Stempel bekommen, kaufen wir direkt noch ein paar Bier und unser Abendessen ein.
Weitere Kostenlose Bücher