3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
sehr sympathisch, sondern sie ist auch ein echtes Sprachtalent: Sie spricht sechs (!) Sprachen ziemlich fließend! Je höher wir kommen, desto atemberaubender wird die Landschaft! Nach dem Aubrac in Frankreich hätte ich nicht gedacht, dass der Weg landschaftlich noch schöner werden kann, aber genau das passiert heute!
Als wir endlich die Grenze zu Navarra und damit zu Spanien erreichen, sind wir total e uphorisch und freuen uns auf Spanien. Wir stellen uns genau auf die Grenze, so dass wir mit unserem linken Fuß in Spanien und unserem rechten noch in Frankreich stehen. Nach umwerfenden Panoramen, Geiern in freier Wildbahn, ausgiebigen Pausen in wildromantischen Landschaften und einem mörderisch anstrengenden Abstieg erreichen wir gegen Abend völlig erschöpft, aber überglücklich, unser erstes Etappenziel auf spanischem Boden: Roncesvalles.
Im Pilgerbüro holen wir uns unseren Stempel ab und erfahren, dass in dem mittelalterlichen und alleine schon wegen seiner 120 Betten beeindruckenden Pilgersaal kein Platz mehr frei sei. Also bekommen wir drei Betten in einem der Container zugewiesen, die extra für Pilger auf einem außerhalb gelegenen Platz aufgestellt worden sind, um dem hohen Pilgeraufkommen im Sommer gerecht zu werden. Auf immerhin ca.10 Quadratmetern bieten sie Platz für 4 Etagenbetten, also 8 Pilger!
Roncesvalles selbst ist enttäuschend und bis auf das ganz nette Kloster nichts anderes als eine Sammel- , Abfertigungs- und Abzockstation für Pilger. Abgesehen von zahlreichen, meist sinnlosen Souvenirs gibt es keine Möglichkeit, irgendetwas einzukaufen, und auch keine Kochgelegenheit, weder in unserer Containerherberge noch in dem völlig überfüllten Gebäude, in dem sich der Schlafsaal befindet.
Pilgern, die kein P roviant über die Pyrenäen geschleppt haben, bleibt also keine andere Wahl, als sich in einem der zwei Pilgerrestaurants zum Pilgermenü anzumelden, das idiotischerweise tatsächlich erst nach der Pilgermesse mit Pilgersegen ab 20:15 (!) serviert wird.
Zu dumm also, wenn man schon vorher Hunger hat, was nach einer anstrengenden Überquerung der Pyrenäen durchaus bei dem einen oder anderen Pilger der Fall sein dürfte. Darüber hinaus sind neun Euro für ein Pilgermenü zwar akzeptabel, aber eben nicht für jeden! Bleibt zu hoffen, dass die Pilgermessen nicht durch knurrende Mägen gestört werden. An der Messe nehmen wir dieses Mal übrigens aus Prinzip nicht teil.
D ie kalte Dusche und ein empfindlich kalter Wind machen uns den Aufenthalt in Roncesvalles auch nicht gerade angenehmer und ein längeres Verweilen außerhalb unseres Containers zu einer ungemütlichen Angelegenheit.
Fazit des Tages: Willkommen in Spanien...!
Montag, 28. Juli, 77. Tag:
Roncesvalles - Zubiri, 22 km
Wir stehen früh auf und sind froh, schon gegen 07:45 Uhr die Pilgerfalle Roncesvalles hinter uns zu lassen. Wir laufen wieder mit Hattie und es wird wieder ein anstrengender Marsch. Scharen von Fuß- und Fahrradpilgern brechen in Roncesvalles zu ihrer Pilgerreise auf und man muss richtig aufpassen, nicht von letzteren regelrecht über den Haufen gefahren zu werden.
Hochmotiviert meinen die nämlich, den Originalweg bewältigen zu müssen, ganz egal wie geländetauglich ihr Drahtesel auch ist. Das führt dazu, dass wir zwar von unzähligen Fahrradpilgern überholt werden, sie aber teilweise einige Kilometer später wieder einholen, weil sie entweder schieben oder einen Platten flicken müssen. Auch Gründe dafür, diesen Weg besser zu Fuß zu gehen.
Die Wegbeschaffenheit an sich ist also schon ein Grund, den Jakobsweg nicht mit dem Fahrrad zu “pilgern”. Man ist gezwungen, zu viele Teilstücke auf asphaltierten Straßen zu fahren, weil man mit dem Fahrrad oft einfach nicht weiterkommt, und verpasst so einige wunderschöne Abschnitte. Ein weiterer Grund für mich ist die Geschwindigkeit. Auch mit dem Fahrrad ist man zu schnell und muss sich zu sehr auf das Fahren konzentrieren, wodurch man wiederum viele sehenswerte kleine Dinge, oder auch interessante Flora und Fauna verpasst.
Ich hätte zum Beispiel nie die im grünen Gras sitzende grüne Gottesanbeterin in Frankreich, oder die Feuersalamander im Schein meiner Stirnlampe auf dem Hörnli in der Schweiz gesehen, die zahlreichen Schlangen am Wegesrand weder gehört noch gesehen und auch nicht den dramatischen Kampf der Raupe mit der Übermacht der Ameisen, wenn
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