Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

Titel: 3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kamps
Vom Netzwerk:
Abschied von Eleonore geht’s mit Carmen weiter Richtung Castrojeriz. In Hontanas machen wir eine ausgiebige Pause.  Als ich in die Bar gehe, um zwei Kaffee für uns zu holen, beobachte ich zwei Fahrradpilger, die stehend und sogar ohne ihren Fahrradhelm abzusetzen, hektisch einen Kaffee hinunterkippen.
     
    Immer wieder beobachte ich Pilger, ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, die sich anscheinend zu wenig Zeit für diesen Weg nehmen. Ich habe dieses Phänomen auch an mir selbst beobachtet in den ersten Tagen in der Schweiz. Ich bin teilweise gerannt, als könnte ich Santiago in drei Wochen erreichen, habe aber zum Glück irgendwann kapiert, dass es naturgemäß seine Zeit braucht, um 2.400 Kilometer zu bewältigen.
     
    Später kommen wir an den Ruinen des Klosters St. Anton vorbei, dass aus dem 12. Jahrhundert stammt. In den mystischen Ruinen gibt es eine Pilgerherberge, aber wir haben uns Castrojeriz als Etappenziel für heute vorgenommen, also geht’s nach einer kurzen Pause weiter.
     
    Als wir unser Tagesziel erreichen, erleben wir wieder einmal spanische Gastfreundschaft in ihrer schönsten Form. Eigentlich wollen wir, als wir an einer Art Vereinsheim vorbeikommen, nur nach dem Weg zu unserer Herberge fragen, werden aber von den sechs älteren Herren prompt zu einem Snack und - natürlich - ein paar Gläsern Rotwein eingeladen. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nur noch abends Wein zu trinken, aber wenn man so nett eingeladen wird wie zu der Barbecue-Party zwischen Los Arcos und Logrono oder wie heute, kann man ja schlecht Nein sagen.
     
    Nachdem uns die Senioren fast abgefüllt und ich gelernt habe, wie man sich den Wein aus einer für diese Gegend übliche n Glaskaraffe in den Mund laufen lässt, führt uns eine aus Castrojeriz stammende, aber in Dortmund lebende Enkelin von einem der Herren sogar noch zur Herberge, wo wir außer Monika und Annette auch die Spanierin Judith und den Deutschen Chris treffen.
     
    Judith, Chris, Carmen und ich packen, nachdem wir eingecheckt und uns einen Platz gesucht haben, die Badehose ein und gehen in das öffentliche Schwimmbad! Ja, in diesem Dorf in der Mitte von Nirgendwo in der Meseta gibt es ein einfaches, aber echtes Schwimmbad!
     
    In diesem Schwimmbad gibt es etwas, von dem ich dachte, es sei ausgestorben und das ich seit dem Schwimmunterricht in der Unterstufe nicht mehr erlebt habe: Badekappenpflicht! Wir können es nicht fassen, dass es so etwas noch gibt! Da wir uns aber dieses ’riesige’ Becken und die Abkühlung nicht entgehen lassen wollen, beißen wir in den sauren Apfel und zahlen nicht nur den Eintritt, sondern kaufen uns noch eine Badekappe, die wir höchstwahrscheinlich auf dem Rest des Weges nicht mehr brauchen werden.
     
    M it den blau-weißen Kappen sehen wir zwar aus wie Schlümpfe, aber ist ja egal. Da soll noch mal einer sagen, eine Badekappe gehöre nicht ins Pilgergepäck! Abends bleibt die Küche mal wieder kalt, denn es gibt keine in der Herberge, aber für ein Gläschen Rotwein braucht man die ja zum Glück nicht. Mein Gott, ich höre mich schon an wie ein Alkoholiker.
     
     
     
    Spruch des Tages: Es gibt wichtigere Dinge im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen, und Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht.
     
     
     

Sonntag, 10. August, 90. Tag:
     
     
     
Castrojeriz - Boadilla del Camino, 20 km
     
     
     
    An diesem Morgen brauche ich wieder ein paar Minuten länger als die anderen, und ich laufe die ersten Kilometer mit Judith und Chris. Kurz hinter Castrojeriz führt der Camino auf einen Tafelberg. Oben hat Carmen auf mich gewartet und wir genießen bei einem Traum-Panorama einen wunderschönen Sonnenaufgang.
     
    Wir wenden unsere Blicke ab von der aufgehenden Sonne in Richtung Westen.  Vor uns erstreckt sich der härteste Teil der zwar eintönigen und kargen, aber dennoch reizvollen und irgendwie spirituellen Meseta, die im Morgenlicht in atemberaubend schönen Farben erstrahlt. Auch wenn diese baum- und schattenlose Landschaft sicherlich eine Herausforderung darstellt und uns wieder an unsere Grenzen bringen wird, kann ich trotzdem nicht verstehen, warum sie viele Pilger meiden und umfahren. Solche Herausforderungen gehören einfach zum Jakobsweg dazu, der eben wie das echte Leben ist: alles andere als ein Ponyhof.
     
    Ich sollte mich aber nicht zu früh freuen, denn die härtesten Tage stehen uns noch bevor…! Erst elf Kilometer nach Castrojeriz erreichen wir den

Weitere Kostenlose Bücher