365 Geile Nacht Geschichten Band 2 Juli
grellen Gang wieder. Ich winde mich, setze mich auf, schüttle den Kopf und stammle:
„Nein! Nein! Nein!“
„Was hast du denn geträumt?“, will Miroslav wissen. Ich hole Luft um mit euphorischer Energie das eben Erlebte zu schildern, das eben noch so nah war, so echt, so beängstigend.
„Ich …“ In dem Augenblick, da ich beginnen will zu erzählen, sausen die Erinnerungsfetzen so schnell davon, als hätten sie sich nur für einen Streich bis zu mir ausgedehnt und schnellten nun in Überschallgeschwindigkeit zurück.
„Ja?“ Die Erwartungshaltung meines Gegenübers macht es mir nicht leichter. Mental gesehen, grapsche ich nach Luft und je verzweifelter meine Bemühungen, umso erfolgreicher die Flucht der Bilder.
„… habs vergessen!“, gebe ich unumwunden zu.
„Dann ist es ja gut.“ Miroslav lächelt zuversichtlich. Ich gebe mich tapfer, ziehe die Decke hoch und lege mich zögernd hin. Es könnte ja sein, dass doch irgendwo noch ein Schatten des Traumes herumflitzt.
„Na dann, mein Freund … schlaf schön weiter“, murmelt er. Wie ich ihn kenne, zwinkert er jetzt mit dem rechten Auge, aber es ist zu dunkel um es wahrzunehmen. Die Matratze federt, als er aufsteht. Er wirft mir von der Tür her einen freundlichen Blick zu und ich lächle zuversichtlich. Die Türklinke schnappt ein und ich höre, wie der Boden in der Diele knarrt, als er wieder in sein Zimmer geht. Ich seufze erleichtert, betrachte den wandernden Schatten eines vorbeifahrenden Autos an der Wand, der so schnell verschwindet wie er kommt, und schließe die brennenden Augen.
Grelle Kanalgitter ziehen über mich hinweg. Lateinische Begriffe werden durcheinander geschrien. Der Albtraum wartet nicht einmal ab, bis ich richtig eingeschlafen bin. Ich bin zwar todmüde, aber ich zwinge mich, wach zu bleiben. Eine Weile sitze ich also da, starre in die Dunkelheit und warte, dass der Traum endgültig verschwindet. Vergeblich. Nach weiteren Versuchen friedlich einzuschlafen, stehe ich auf, wanke über den knarrenden Boden zur gegenüberliegenden Tür, klopfe leise und öffne sie einen Spalt.
„Miroslav?“, flüstere ich. Nichts. Er schläft wohl schon. Ich beschließe, ihn nicht länger zu stören und den Rückzug anzutreten.
„Mmmmh?“, brummt er, als ich die Tür fast geschlossen habe. Ich stoße sie auf und werte das verschlafene Brummen als Aufforderung, zu seinem Bett zu schleichen und mich an dessen Rand zu setzen. Eine Weile starre ich zu den Jalousien, durch die eine Straßenlaterne ihr einsames Licht wirft. Mein nasses Shirt wird an der Luft unangenehm kalt.
„Was ist?“, murmelt Miroslav verschlafen.
„Ach … nichts“, stammle ich, denn ich weiß wirklich nicht, weshalb ich nun hier hocke. Vielleicht glaube ich, dass der Albtraum es nicht wagt wiederzukommen, solange eine zweite Person anwesend ist.
„Ist es wegen des Alptraums?“, nuschelt Miroslav im Halbschlaf, kaum verständlich. Ich nicke, obwohl es zu dunkel ist, dass er es sehen kann und vergesse, diese Zustimmung phonetisch zu untermauern.
„Kann ich eine Weile hier sitzen bleiben?“, bitte ich. Das Stillschweigen fasse ich als Zustimmung auf. Mich fröstelt. Plötzlich spüre ich seine warme Hand auf meinem Unterarm.
„Du bist ja eiskalt“, murmelt er besorgt und scheint wacher zu werden. Es ist schön, seine Hand zu spüren. Instinktiv lege ich meine über seine.
„Es gibt keine Beziehung, die platonischer ist, als die unsere“, erzähle ich jedem stolz, der wissen will, ob Miroslav und ich ein Paar sind. Dass zwei schwule Männer zusammen wohnen, ohne miteinander Sex zu haben, scheint die Vorstellung vieler Leute zu sprengen. Seltsam, dass mir das gerade jetzt einfällt. Ein warmer Luftzug streicht über meinen fröstelnden Körper, als Miroslav einladend die Decke hebt.
„Komm her, mein Freund, du erfrierst mir sonst noch“, sagt er leise. Ich zögere, obgleich die Vorstellung, in einem aufgewärmten Bett zu liegen, nur allzu verführerisch ist.
„Warum schlaft Ihr nicht miteinander?“, fragen die Freunde.
„Weil dazu mehr gehört, als zwei Körper“, erkläre ich.
„Mögt Ihr Euch denn nicht?“
„Doch, wir mögen uns … sehr sogar.“
„Na, dann …“
„Jemanden sehr zu mögen bedeutet noch lange nicht, dass man mit ihm ins Bett geht.“ Dazu folgen stets kontroverse Diskussionen.
Die Decke legt sich warm über meinen ausgekühlten Körper und mit ihr Miroslavs Arm. Ohne Absicht pralle ich gegen ihn. Das muss für
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