365 Geile Nacht Geschichten Band 2 Juli
Eindruck habe, hellwach zu sein, nicht im Mindesten verwirrt, weiß ich nicht, was das alles soll. Dann stelle ich fest, dass ich meinen Körper nicht spüre. Ist das die Narkose?
Alle Versuche, mir Gehör zu verschaffen, ertrinken im hektischen Austausch lateinischer Begriffe. Plötzlich hält mein Bett an und ich bin sehr dankbar dafür. Eine Minute länger und ich wäre seekrank geworden. Außerdem hat endlich dieser Krach ein Ende. Die geschäftigen Geräusche rutschen in den Hintergrund. Im OP geht es hoffentlich menschlicher zu. Eine Schwester neigt sich über mich, grinst mich auf eine Weise an, die verrät, dass mindestens einer von uns beiden geistesgestört sein muss, und sagt mit fließender, rauer Stimme:
„Wir tun unser Möglichstes. Entspannen Sie sich. Sie sind in besten Händen.“
Mein Körpergefühl lässt mich zu sehr im Stich, als dass ich mir sicher sein könnte, dass ich ihr ebenfalls zulächle – ich möchte es zumindest. Ihr Blick versucht mir zu intensiv und zu zwanghaft Vertrauen einzuflößen. Das macht mich misstrauisch.
„So etwas haben wir jeden Tag. Sie können also ganz beruhigt sein.“
Bis zu diesem Satz war ich nicht wirklich beunruhigt. Eine Tatsache, die sich nun schnell ändert. Die Schwester drückt mich an den Schultern mit einem zuversichtlichen Lächeln in die Matratze, dreht sich um und scheint mich im nächsten Augenblick vergessen zu haben.
Gleich … gleich setzt die ganze Wirkung der Narkose ein, denke ich so bei mir und frage mich, ob ich noch Zeit haben werde, einen der Ärzte zu fragen, warum ich eigentlich hier bin. Seltsam …, ich war immer der Meinung, in einem OP wäre es sehr grell. Ich wurde zwar noch nie operiert, aber ich dachte immer, man wäre an diverse Geräte angeschlossen und das Ärzteteam würde sich in den Vorbereitungen beflissen um den Operationstisch tummeln.
Da ist noch so eine verwirrende Sache: Ich liege in einem Bett! Ich lasse den Blick kreisen und stelle fest, dass ich genug Beweglichkeit und Kraft besitze, den Kopf hin und her zu drehen. Keine Geräte in diesem Raum! An der Wand sind, in Reih und Glied, quadratische Metalltüren angebracht. Es ist sehr kühl. Ich habe also noch Empfindungen. Der Geruch hier behagt mir gar nicht. Ich hebe den Kopf an und sehe an meinen Zehen vorbei zur Tür. Noch ehe ich entziffern kann, was da steht, weiß ich es bereits und schreie – schreie im wahrsten Sinne des Wortes um mein Leben!
Das Echo verhallt in der Ferne der tiefschwarzen Nacht. Ich sitze aufrecht in meinem Bett. Ein Auto malt einen vergänglichen Schatten an die Wand. Dann ist es wieder dunkel. Mir war doch gerade, als schrie da jemand. Ich bin außer Atem und mein Shirt ist klatschnass. Das Zimmer ist stockdunkel, bis auf den grünen Schimmer des Weckers. 2:23 … 2:24 …
Ein Pochen! Meine Sinne laufen auf Hochtouren. Plötzlich ein Fauchen! Ich schrecke hoch.
„Haachxt!“, schnarrt es noch einmal so nah. Ich bin dabei, endgültig die Nerven zu verlieren. Plötzlich ein Lärm, der beinahe mein Trommelfell zertrümmert. Und noch einmal dieses eigenartige, gespenstische: „Harchxt!“
Im Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr. Ich mache einen Satz und pralle gegen die Wand, kreische, der Wecker fällt mit betäubendem Krach zu Boden, geht dabei los und als ginge ein Presslufthammer an, brüllt er: „TIME AFTER TIME“ von den Bangels. Der Schatten aus dem Augenwinkel springt an mir vorbei, tötet den Lärm, packt mich an den Oberarmen, schüttelt mich und fragt:
„Anton? Bist Du Okay.? Du hattest einen Albtraum!“
Mein Körper ist zu Eis erstarrt und meine Augen trocknen langsam aus, aber die Lider schieben sich nicht über die vor Schreck weit hervortretenden Augäpfel. Nur widerwillig gibt mein Gehirn Informationen über mein Gegenüber Preis. Weiß. Männlich. Siebenundzwanzig. Mitbewohner. Harmlos. Erst jetzt wird der Weg zur mittlerweile schon zuckenden Lunge frei und sie saugt hysterisch nach Luft. Zuviel auf einmal und ich muss husten. Dabei entkrampft sich meine gesamte Körperhaltung, Muskel für Muskel entspannt und lockert sie sich. Am Ende lösen sich sogar meine Knochen auf und ich sinke wie ein feuchter Teig in mich zusammen.
Die Hände meines Mitbewohners drücken mich an den Schultern sanft ins Kissen zurück und ziehen mir die Decke bis übers Kinn, als schwitze ich nicht ohnehin genug. Für die wenigen Sekunden, die meine Lider brauchen, um den Augapfel zu befeuchten, sehe ich mich in einem
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