365 Geile Nacht Geschichten Band 2 Juli
erstaunt, dass die Feuerpolizei so schmale Aufgänge zuließ. Gab es in England überhaupt eine Feuerpolizei? Hier konnten keine zwei Menschen aneinander vorbeigehen und daher wartete oben eine Japanerin, bis ich den ersten Stock erreicht hatte und lächelte dabei, wie Asiaten eben so lächelten. Kaum gab ich die Treppe frei, trippelte sie rasch runter.
Hier war vieles ganz anders, als ich mir vorgestellt hatte. Durch die Dinge, die ich in der Schule von diesem Land erfahren hatte, war ich davon ausgegangen, hier wären alle total steif und ernst – das Gegenteil schien der Fall zu sein – jede Menge hippe Leute – total entspannt und gut gelaunt.
Direkt vor meinem Fenster war ein Flachdach. Theoretisch hätte ich sogar rausklettern können – und da hier ein paar alte, halb verwitterte Sofas herumstanden, tat das wohl auch hin und wieder jemand. Ich war viel zu feige, mich da draußen umzusehen und legte mich stattdessen auf das riesige Bett, schaltete den Fernseher an und zappte durch die Kanäle. Die Programme wirkten interessanter, spritziger, als daheim, aber auch viel trashiger und irgendwie … naiver. Auch wenn ich drei Viertel von dem, was da gesprochen wurde, nicht verstand, schaute ich mir die ein oder andere Sendung komplett an. Vielleicht bekam ich ja ein Gefühl für die Sprache und käme morgen leichter durch die Stadt?
Draußen wurde es dunkel und mein Zimmer nur durch das flackernde Licht des Bildschirms erhellt. Bei einem Blick aus dem Fenster bemerkte ich dort einen orangen Schimmer. Wie eine Motte von diesem Licht angezogen, kletterte ich vom Bett und spähte auf das Flachdach. Jemand saß auf einem der alten Sofas – zu seinen Füßen brannte eine Kerze. Was genau die Person dort machte, konnte ich nicht erkennen – es war viel zu dunkel. Ob man da draußen rauchen durfte? Die Glut einer Zigarette suchte ich vergeblich. Da genoss wohl jemand einfach nur die kühle Nacht. Wahrscheinlich ein Einheimischer – für die war es sicher noch warm, während ich schon fror.
Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte ich, dass diese Person direkt zu mir hersah. Vor Schreck prallte ich zurück. Es war der Junge von der Wirtin, wobei – Junge war der falsche Ausdruck, er war ein Mann von mindestens fünfundzwanzig Jahren, vielleicht sogar dreißig – bei Menschen seines Schlags konnte ich das nie so genau sagen. Er gehörte zu diesen Typen, die zwischen zwanzig und vierzig jedes Alter haben konnten. Deswegen mochte ich diese auch nicht – sie verunsicherten mich. Ein Zwanzigjähriger will anders behandelt werden, als ein Vierzigjähriger. Und ein älterer sah mich mit anderen Augen, als ein junger. Entsprechend verstört fühlte ich mich auch jetzt. War er ein junger Kerl, der mich wie ein seltsames Geschöpf aus einem fernen Land betrachtete, oder ein älterer Mann der meinesgleichen durchschaute. Nur, was könnte er bei mir schon durchschauen? Dass ich mir London ansehen wollte? Wow! Da war ich sicher der Erste hier.
Die Neugier hielt mich dennoch am Fenster. Vielleicht schaute er ja gar nicht zu mir her, sondern zu dieser Japanerin im Zimmer neben mir – die war gewiss interessanter. Aber nein – definitiv sah er zu mir her – und ich nahm die Provokation an! Sollte er doch weggehen, wenn es ihn nervte, begafft zu werden, ich hatte den längeren Atem!
Am nächsten Morgen erwachte ich mit verspannten Muskeln und steifen Knochen auf der Fensterbank! Großartig, ich hatte ein Riesenbett und schlief hier zusammengerollt, wie eine Katze – nein – eine Katze hätte sich auf dem Bett ausgebreitet, die wäre schlauer gewesen als ich.
Nach der Morgentoilette schlurfte ich runter in den Frühstücksraum. Bis zuletzt hatte ich daran gezweifelt, dass es hier so etwas überhaupt gab. Das ganze Haus war ein architektonisches Wunder – so winzig es von außen aussah, bot es innen doch Platz für ein Dutzend Gäste.
Die Wirtin fragte mich irgendetwas – vermutlich ging es um Komponenten des Frühstücks – und da ich sie nicht verstand, nickte ich einfach. Wenig später stellte jemand einen Teller Ham and Eggs vor meine Nase, deren heftiger Geruch mir ein erschrockenes Aufstöhnen entlockte. Verdammt! Ich bin Vegetarier. Mit einer empörten Geste schob ich den Teller beiseite. Erst jetzt sah ich, dass mir Mister 'Gaff-mich-an' diese Speise gebracht hatte. Er sagte nichts – wie er nie etwas sagte – und schob den Teller wieder zu mir.
„Ähm, no, I am
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