38 - Satan und Ischariot II
wohl geschehen, wenn ich mich Ihrer nicht annähme?“
„Wir müßten hier sterben und verderben. Für die Hazienda sind wir engagiert; dort gibt es aber keine Arbeit; an anderen Orten finden wir auch keine; betteln würden wir nicht, und –“
„Würden Sie nicht?“ fiel ich ihm in die Rede. „Sie müßten wohl, wenn Sie keine Arbeit hätten, denn Hunger tut weh; Sie würden aber nichts bekommen. Hier gibt es andere Verhältnisse und andere Menschen als drüben in der Heimat, wo man für die Armen sorgt und es überall tausend Menschen gibt, welche dem Bittenden eine Gabe reichen oder die hilfsbereite Hand entgegenstrecken. Ja, Sie würden hier sterben und verderben, und da ich selbst nichts übrig habe, ist mir die Hilfe für Sie nur dadurch möglich geworden, daß ich Dieb und Räuber geworden bin. Sie brauchen aber nicht vor mir zurückzuschrecken, denn ich habe nur Melton und Weller für Sie bestohlen, welche Sie in das Unglück gelockt haben. Nach dem Gesetz, welches ich in meinem Innern fühle, sind die beiden Menschen Ihnen volle Entschädigung und wohl auch noch mehr schuldig; sie hatten Geld bei sich; ich habe sie gefangen und müßte sie und ihr Geld nach den hier herrschenden Gesetzen dem Richter übergeben. Was würde die Folge sein? Das Geld würde verschwinden und die Schufte wahrscheinlich auch, um an anderem Ort wieder aufzutauchen und neuen Unfug zu treiben; Sie aber würden keinen Heller bekommen und hätten nichts, womit Sie Ihre Blöße bedecken und Ihren Hunger stillen könnten. Da ist mir denn das Gesetz in meinem Innern weit gerechter vorgekommen, als das andere, und ich habe den Paragraphen desselben die Sache für Sie in die Hand genommen, oder mit anderen Worten, ich habe das Geld Meltons und Wellers in die Hand genommen, um Ihnen mit Hilfe desselben zu der Gerechtigkeit zu verhelfen, zu welcher ein anderer Richter Ihnen nicht verhelfen würde. Halten Sie das für unrecht?“
„Nein, nein, nein!“ antwortete es im Kreis.
„Gut! Melton und Weller wissen jetzt noch nicht, daß ich ihr Geld habe. Der erstere hatte es vergraben und wird im Leben nicht erfahren, daß es fort ist. Hätte ich es nicht gefunden, so würde es noch nach hundert Jahren dort liegen. Ich werde beide Summen unter Sie verteilen.“
„Wieviel ist's, wieviel ist's?“ hörte ich fragen.
„Weller hatte fünftausend und Melton eine Wenigkeit über dreißigtausend Dollars. Das ist etwas über neunundvierzigtausend Taler oder hundertsiebenundvierzigtausend Mark.“
Rundum so tiefes Schweigen, daß man den Atem gehen hörte; dann wollte man in Freude aufjubeln; ich winkte aber energisch ab und sagte:
„Still! Kein Mensch außer Ihnen soll hören, was hier besprochen wird. Unsere Angelegenheit ist eine gerechte; aber andere würden sie wohl an einer Seite betrachten, in welcher sie in einem nicht so günstigen Licht erscheint. Auch der Jude braucht nichts zu erfahren. Er ist nicht so arm wie Sie; er hat sein Geld und wird bei den Yumas bleiben.“
„Er hat sein Geld?“ fragte der Sprecher. „Weller hat es ihm doch genommen!“
„Ich nahm es ihm wieder ab und habe es an Jakob Silberberg zurückgegeben. Sie sehen auch daraus, daß Weller das Geld raubte, daß das Eigentum dieser beiden Menschen sehr wahrscheinlich aus unlauteren Quellen stammt und wir uns keine Skrupel darüber zu machen brauchen, wenn Sie sich durch dasselbe entschädigen. Leider wird auf den Mann nicht soviel entfallen, wie Sie wohl denken werden und im stillen vielleicht schon ausgerechnet haben!“
„Oh, daran habe ich schon gedacht, und jeder von uns wird darüber ebenso denken, wie ich, daß Sie einen tüchtigen Anteil vorweg zu bekommen haben.“
„Ich? Dadurch wird die Summe um keinen Heller kleiner. Ich nehme nichts. Das wäre Diebstahl. Nein, es gibt andere Personen, welche wir auch bedenken müssen.“
„Andere? – Wer wäre das?“
„Der Haziendero. Er ist schwer geschädigt worden.“
„Er hat aber doch den Kaufpreis erhalten!“
„Einen lächerlich billigen Preis!“
„Und wird die Hazienda wiederbekommen, wenn er beweisen kann, daß der Käufer sie ihm niederbrennen ließ. Den Kaufpreis kann er dann als Entschädigung behalten. Ist das nicht genug für ihn?“
„Wahrscheinlich. Es steht überhaupt noch nicht fest, daß ich ihm etwas geben werde; es kommt das ganz auf sein Verhalten an, welches mir bisher gar nicht gefallen hat. Dafür aber sind die anderen Ansprüche, an welche ich denke, desto
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