38 - Wiedergeborenes Scorpio
verzierten Gebäude mit grüner Kuppel und hoch aufragenden Dachgauben; die wichtigsten Leute traten ein.
Nach einiger Zeit kamen sie wieder heraus, und es gab ein allgemeines Kopfschütteln. Der Trupp folgte schließlich dem Boulevard der prächtigen Tore, kam aber an der zweiten Querstraße ins Stocken. Ich sah, daß sich eine zweite Prozession angeschlossen hatte, die ähnlich zusammengesetzt zu sein schien. Vorsichtig schob ich mich durch die Zuschauer, die hier in großer Zahl zusammenliefen, und erblickte eine prächtig gekleidete Frau an der Spitze eines Gefolges. Ihr Gesicht lag im Schatten eines juwelenverkrusteten Turbans im weiblichen Stil – ein großer Unterschied zu den Turbanen, die von Männern getragen wurden. Ihre Kleidung war steif von Edelsteinen. Schmuck glitzerte an den Fingern. Ich vermutete, daß sie die Königin war.
Aus den Gruppen, die ihr folgten, löste sich schließlich ein gedrungener kleiner Mann, der sich mit den Sans Mishuro und Hargon unterhielt. Alle anderen blieben zurück. Der kleine dicke Mann führte nicht weniger Juwelen spazieren als die Frauen. Ich wußte nichts davon, daß die Königin auch einen König hatte; vielleicht war er das.
Ich hatte keine Mühe mit der Entscheidung, den narbengesichtigen Burschen neben mir nicht zu fragen, wer der Mann und die Frau waren. Immerhin trug mein Nachbar ein unangenehm aussehendes Krummesser in der Scheide, und seine schmutzige Robe roch schlecht. Die Person neben ihm war eine gutgelaunte Frau mit einem Topf auf dem Kopf und einen Kind an der Hand. Auch sie fragte ich lieber nicht. Wenn ich den Rast richtig einschätzte, hatte Hargon einen Preis auf meinen Kopf ausgesetzt. Diesen Leuten wäre es nur recht, sich auf ganz leichte Weise einen Goldschatz zu verdienen.
Die Frau machte eine unbestimmte Geste, und sofort eilten Lunky und ein anderer junger Mann und ein Mädchen zu der Gruppe. Das Edelsteinfunkeln der beiden Frauen und Männer stand im Gegensatz zur schlichten Aufmachung Hargons, Mishuros und Lunkys.
Die Lehrlinge waren also zur Konferenz hinzugezogen worden. Ich vermutete allmählich, daß das herausgeputzte Paar gar nicht König und Königin waren, sondern vielleicht Dikaster.
Während wir zuschauten, wie sich die hochvermögenden, bedeutsamen Leute berieten, umgeben vom geschäftigen Brausen einer großen Stadt, kam mir in den Sinn, daß ich gestern nacht vielleicht zu voreilig gehandelt hatte. Ich behielt Mevancy im Auge. Ich nahm mir vor, mir einen lohischen Bogen und zwanzig gute Pfeile zu kaufen. Ich hatte es viel zu leichtfertig zugelassen, von ihr getrennt zu werden. Außerdem würde sie sich Sorgen um mich machen, nicht wahr?
Endlich setzte sich die Prozession wieder in Bewegung; der Weg führte zu einer Fischerhütte, die ein gutes Stück vom Viertel Kangs des Haken entfernt lag.
Als Mishuro die Hütte verließ, hielt er ein in einen Schal gewickeltes Bündel mit beiden Händen in die Höhe.
Offensichtlich hatte man das Kind gefunden, das man suchte.
Die Mutter des Kindes, die ein zerlumptes graues Kleid trug, schlich barfüßig hinter dem San her, kauerte sich nieder und blickte zu ihm auf. Ich wußte ihren Gesichtsausdruck nicht zu deuten; sie empfand Angst und Bedauern – aber zugleich schien sie sich sehr zu freuen. Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht, und sie strich sie mit einer erstaunlich anmutigen Geste fort.
Ganz in meiner Nähe stand ein Fischer, auf dessen Schultern sich silbrige Schuppen ausgebreitet hatten. »Siloni«, sagte er, »hat vorgestern ihren Mann verloren, die Stranks haben ihn erwischt. Wenn der Bewahrer sie gerecht behandelt ...«
»Der braucht nichts für sie zu tun«, sagte eine Frau, die einen breiten, mit einem Tuch verdeckten Korb auf dem Kopf trug. »Das ist das Gesetz.«
»Trotzdem ...«
»Und das ist San Hargon. Du weißt selbst, wie er ist. Nur schade, daß er gestern nacht nicht ...«
»Halt den Mund, Frau!« Mehr als ein Augenpaar schaute angstvoll in die Runde.
Wieder war ich nicht so töricht, mein Leben mit der bloßen Annahme zu riskieren, daß die Äußerungen der Frau bedeuteten, man würde mich hier bejubeln. O nein, bei Krun!
Das Kind wurde in eine Wiege gelegt, die dann von Sklaven an Stangen hochgehoben wurden. Hargon wandte sich zum Gehen. Die Frau näherte sich, niedergekauert wie ein Hund, blickte zu ihm auf und sagte etwas. Er schaute zu ihr hinab und drehte sich weg, ohne von ihr Notiz zu nehmen. Sie ließ sich vornüber in den nach Fisch
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