38 - Wiedergeborenes Scorpio
riechenden Schlamm fallen.
Mevancy griff ihr unter die Arme und zerrte sie hoch.
Ich spannte die Muskeln an, denn ich war auf eine Gewalttätigkeit gefaßt und hoffte nur, daß sie ausbleiben würde.
Es kam nicht dazu, denn San Mishuro trat herbei und sprach, nachdem er dem juwelengeschmückten Mann zugenickt hatte, mit der edelsteinfunkelnden Frau. Sklaven traten vor, um sich um die Mutter das Kindes zu kümmern, und sie verschwand mit der Prozession.
Die Frau mit dem Korb auf dem Kopf schnaubte durch die Nase. »Wie ich schon sagte. Wenigstens erspart er sich damit eine Amme.« Sie zupfte sich die Röcke zurecht und marschierte fort. »Tsung-Tan möge über sie wachen«, sagte sie dabei.
Der Fischer wandte sich kopfschüttelnd ab. Er sah mich, sagte aber gleichwohl halb zu sich selbst: »Man sollte den Suchern ruhig das bißchen mehr Macht geben. Wie auch immer, es ist der Verfluchten Gesetz, da läßt sich jetzt nichts dran ändern.«
Er sprach nicht, als sei das ›Verfluchte‹ als Adjektiv gemeint, offenbar handelte es sich dabei um Menschen oder Mächte.
Einigermaßen zu spät – bei Vox! – nahm ich mir vor, mich gründlich und tatkräftig um die Fragen zu kümmern, die mir durch den Kopf wirbelten.
Zuerst begab ich mich in die Straße der Bögen. Immerhin war ich in Loh. Die Bogenschützen aus Loh sind nach allgemeiner Auffassung die besten Vertreter ihrer Art, auch wenn ich mit meinem Gefährten Seg so manche lebhafte Diskussion über die Verdienste des zusammengesetzten Bogens und der Armbrust geführt hatte. In der Straße versuchten mich zahlreiche Schilder anzulocken. Hier florierte das Hork-Handwerk. Ich genoß die Atmosphäre und betrachtete die Auslagen jener Schaufenster, deren Riedabdeckungen zur Seite geschoben worden waren.
Auf dem schmalen grünen Streifen zwischen Fluß und Wüste war Holz überaus kostbar. Natürlich kamen die Holzflöße aus dem Dschungel von Chem den Fluß herab; aber Holz wuchs eben nicht gewissermaßen vor der Tür. Der heftige Sturm, der einen Großteil der prächtigen Bäume Ankharums vernichtet hatte, wäre hier als allesvernichtende Katastrophe empfunden worden. Ankharum und Makilorn, beides an Flüssen gelegen und jetzt durch Eroberung derselben Nation angehörend, unterschieden sich sehr.
Schließlich wählte ich einen unauffälligen kleinen Laden, dessen Schild verkündete:
TWANG UND TÖCHTER
HERSTELLUNG VON BÖGEN UND PFEILEN
Mich begrüßte der Geruch, den ich so gut aus Segs Räumlichkeiten kannte. Tief atmete ich ein und ließ die Erinnerungen wandern.
Der Besitzer lächelte mich an und sagte: »Llahal. Kann ich dir helfen?«
Er trug eine ordentliche Tunika aus gelbem Leinen, und sein Gesicht war braun und faltig, die Augen waren grau. Mir fiel auf, daß die Finger der rechten Hand fehlten; ich kannte den Grund, der wirklich einer üblen Praxis entsprang. Ich nickte.
»Llahal. Ein Bogen bitte.«
Er holte Kästen mit Bogenstäben hervor, und ich traf eine erste, rein optische Auswahl, während wir ein beiläufiges Verkäufer-Kunde-Gespräch führten. Schließlich wandten wir uns der angenehmen Aufgabe zu, einige Bögen zu spannen. Als ich ein halbes Dutzend gefunden hatte, die mir sehr annehmbar erschienen, sagte er: »Wie ich sehe, verstehst du dein Handwerk.« Sein Ton war sehr freundlich. »Auch wenn du kein Bogenschütze aus Loh bist.«
»Ich wurde von einem Mann aus Erthyrdrin unterrichtet.«
»Ah!« In diesem Ausruf lag die ganze Erklärung. Von allen Bogenschützen aus Loh sind die aus Erthyrdrin die besten.
Wir begaben uns auf den Hof hinter dem Haus. Die Pfosten standen am anderen Ende. Twang hängte eine Zielscheibe auf, ich suchte mir einen Pfeil aus, legte ihn auf die Sehne, zog und schoß. Und traf das Auge des Chunkrahs.
Nach drei Schüssen mit jedem Bogen traf ich meine Wahl.
Twang lächelte.
»O ja, vielleicht möchtest du eine Erfrischung.«
Dies war keine Frage, und als wir in den Laden zurückkehrten, brachte ein hübsches Mädchen, offensichtlich seine Tochter, ein Tablett mit Bechern. Ich setzte mich und fragte: »Hast du es mal mit Stahlhaken versucht, Walfger Twang?«
Er hob seinen Becher. »Ja, und Horn und Elfenbein, Bronze und Holz. Man kommt damit zurecht, aber mehr ist dazu nicht zu sagen.« Ich konnte ihm nachfühlen, was er meinte. Ein Bogenschütze, dem man die Finger amputiert hat, ist ein bedauernswerter Fall; Finger aus kaltem künstlichen Material und nicht aus Fleisch und Blut können den
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