39 - Meuchelmörder von Scorpio
und nahm die Verfolgung auf. Trylon Kuong und sein Gefolge hielten vor uns an. Er war sehr überrascht, uns unter solchen Umständen hier in der Wüste vorzufinden, und als er abstieg und uns begrüßte, sagte er: »Ich bin gekommen, um dich zu holen, San Lunky Mishuro. Das Kollegium versammelt sich.« Seine Stimme klang freudlos. »Die Königin ist tot.«
12
Lunky versah seine Pflichten als Seher mit größtem Ernst. Das erwartete man sowohl von ihm als auch von einem Seher. Zusammen mit den beiden anderen Sehern mußte er jetzt die Königin im Körper eines Neugeborenen entdeckten. Die Bestattungszeremonien waren verschwenderisch, wenn man den Glauben dieser Leute an die Reinkarnation bedachte. Für die Einäscherung der Königin wurden nicht ein, sondern zwei Holzstöße benutzt, und der Sarg, der geschmackvoll mit Szenen aus dem Gilium bemalt war, wurde an einer Ecke kräftig angesengt.
Mir entging nicht die Ironie, die die Bilder des Gilium auf dem Sarg eines Paol-ur-bliem darstellten, einer Person, die dazu verflucht war, einhundertmal nach Kregen zurückzukehren, bevor sie in das himmlische Paradies des Gilium einziehen durfte.
Trylon Kuong, der sich gut erholt hatte, erwies sich während dieser Zeit als würdig, eine politische Stellung im Leben der Stadt einzunehmen. Er würde sich bei den Kämpfen, die auf uns warteten, als vielversprechende und nützliche Person auf unserer Seite erweisen. Denn es gab keinen Zweifel, daß die Dikaster in Ansichten und Glauben gespalten waren. Noch wichtiger: Wenn es darum ging, Macht zu erringen, waren sie erbitterte und persönliche Gegner bis zum Mord – wie wir gesehen hatten.
Ein neuer Bewahrer mußte Kuong zugewiesen werden, um Caran zu ersetzen. Kuong würde ein beträchtliches Mitspracherecht bei der Auswahl haben, und er verbrachte beachtliche Zeit damit, Kandidaten von der Ausbildungsakademie des Kollegiums zu begutachten. Die Lage wurde dadurch etwas kompliziert, als man einen Bewahrer brauchte, um Hargon für die Ausbildung Leotes' zu ersetzen, und hier konnte es natürlich keine Kontinuität geben.
Was mich anbetraf, entschied ich mich zu einem kühnen Vorstoß, um mit San Chandra ins reine zu kommen. Er hatte mich in die geheimen Gänge des Palastes einsteigen sehen, und nun tauchte ich in Kuongs und Lunkys Gefolge wieder auf.
Mevancy schloß sich Lunky und Telsi an; sie würden in der Mishuro-Villa wohnen. Ich ging los, um Chandra Bericht zu erstatten.
Da ich einen Passierschein hatte, war es mir möglich, zu ihm vorgelassen zu werden, und er war mehr als begierig, mich zu sehen. Wir trafen uns in dem kleinen Zimmer, in dem wir das erste Mal Jikaida gespielt hatten; das Brett lag auf dem Tisch, zum Spiel vorbereitet. Chandra begrüßte mich ungeduldig. Auf seinem schmalen Gesicht lag kein Lächeln, und er sah noch hagerer als gewöhnlich aus.
»Siehst du, Drajak.« Er breitete die Arme aus. »Sogar die Königin.«
Ich nickte, da ich nicht sagen konnte ›Möge ihre Seele in Frieden ruhen.‹ Schließlich wurde ihre Seele in einem Säugling wiedergeboren.
Er sah mich scharf an. »Und wo bist du gewesen?«
Also machte ich, wie gesagt, einen kühnen Vorstoß.
Ich vollführte eine weit ausholende Geste. »San, ich verstehe nicht viel von dem, was hier in Makilorn vor sich geht. Ich weiß von der Macht Tsung-Tans. Alles, was ich erfahren habe, sagt mir, daß die Zauberer sehr mächtig sind.« Ich machte eine wirkungsvolle Pause und fuhr mit gedämpfter tiefer Stimme fort. »Ich kann dir nur dies sagen: Aus den geheimen Gängen fand ich mich in der Wüste wieder.« Ich hielt eine Hand hoch, als er den Mund öffnete. »Ich verstehe es nicht. Vielleicht hat man mich niedergeschlagen und dorthin transportiert. Aber San, du wirst es wissen. Ich glaube, daß die Macht und Herrlichkeit von Tsung-Tan mich aus dem Palast in den Sand der Wüste getragen hat.«
Ich setzte einen ehrfürchtigen Blick auf. Selbst wenn ich es bin, der dies sagt, glaube ich doch, daß ich eine gute Vorstellung bot. Und überhaupt, in einer Gesellschaft, in der es so viele verschiedene Glaubensrichtungen gab wie in Tsungfaril, konnte man nicht anders, als mir eine solche Geschichte vollständig abzukaufen.
Der arme alte San Chandra legte eine Hand an den Mund, seine Augen weiteten sich. »Das ist dir zugestoßen? Ja, ja: Es ist ein Wunder, zu dem sich Tsung-Tan, der Höchste im Himmel, herabgelassen hat. Man hat davon gehört, man hat davon gehört.« Er steigerte sich in
Weitere Kostenlose Bücher