39 - Meuchelmörder von Scorpio
Chandro zuhören würdest ...«
»Nach seinem Verrat!«
Man konnte wirklich nicht von ihr erwarten, Chandras Unterstützung für ihre Kusine Kirsty zu verstehen oder gar zu akzeptieren. »Leone, denk immer daran, Chandro, Lunky und Kuong sind deine wahren Freunde«, sagte ich.
Wir hätten noch einige Zeit auf diese Art streiten können, wenn nicht Wink mit Prang und Ching-Lee hereingekommen wäre. Zumindest hatte ich sie von mir als Thema abgebracht. Ihre Freunde drängten sich lachend herein und riefen: »Er ist da!«
Sie war fast so froh über diese Unterbrechung wie ich. Außerdem gefiel es mir zu sehen, daß sie mit ihren Palastgefährten auf vertrautem Fuß geblieben war. Vieles an Leone war bewundernswert, wie ich wußte. Ich war der Meinung, daß sie sich jetzt wieder beruhigen und es später noch einmal mit mir versuchen würde.
Sie erhob sich anmutig von dem Mini-Thron. »Du darfst jetzt gehen, Drajak.« Ich lächelte nicht über ihren Ton. Sie hatte den Kniff des Befehlens schnell genug begriffen. »Mein Portrait soll gemalt werden, und der Künstler ist da.«
Ich verneigte mich mit einer knappen Verbeugung vor ihr, und sie hob den Kopf und ging mit ihren Gefährten heraus; sie alle plauderten wie früher.
Den Weg nach draußen zu finden war nicht schwer. Wachen standen hier und da, und die Korridore des Palastes waren mir vertraut. Ich vermutete, daß der arme alte Chandro den Komfort seiner Gemächer im königlichen Palast vermißte, wenn er sie mit denen in Mishuros Villa verglich. Der vorletzte Korridor vor den Gemächern, die zu den Nebeneingängen führten, lag ohne Wachen vor mir. Am anderen Ende erspähte ich eine flüchtige Bewegung hinter einem der großen Keramikkrüge, die sofort aufhörte. So war ich auf alles gefaßt, als ich darauf zuging. Das – und davon war ich felsenfest überzeugt – war nicht Leones Werk. Das trug die finstere Handschrift Shang-Li-Pos. Der Bursche dort vorn, ein verdammter Meuchelmörder, war schnell in dem Moment herbeigerufen worden, in dem Hikdar Vangli meine Anwesenheit im Palast gemeldet hatte, da war ich sicher. Ich ging gleichmäßig weiter, darauf vorbereitet, den ersten Schlag abzuwehren und den Stikitche im Gegenzug niederzustrecken.
Es verblieben nur noch ein paar Schritte bis zu dem Keramikkrug. Ein massiger Mann, der ein schwarzes Gewand trug, taumelte hinter dem Krug hervor und fiel mit dem Gesicht zu Boden. Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Dolches.
Ich blieb augenblicklich stehen und zog mein Schwert.
»Das wirst du nicht brauchen, Dom. Er ist erledigt.«
Die Stimme war hell und selbstsicher. Der Mann, den ich dabei ertappt hatte, wie er Mevancy anstarrte, trat aus dem Schatten der Tür. Er schlenderte heran, bückte sich, nahm seinen Dolch wieder an sich und wischte ihn an dem schwarzen Gewand sauber.
Er sah sich um. »Wir bringen am besten eine möglichst große Entfernung zwischen uns und diesen kläglichen Stikitche, Drajak. Hier durch.«
Ohne weiteres Aufheben drückte er auf eine Platte in der Wand. Eine Geheimtür öffnete sich. »Ich habe sie erst heute morgen gefunden. Es war so einfach, daß man darüber in Tränen ausbrechen könnte. Diese Leute sind nicht besonders fähig.«
Wenn er vorgehabt hätte, mich zu töten, so hätte er es jetzt schon getan – beziehungsweise wäre beim Versuch gestorben. Ich nickte. Wir betraten den Geheimgang, und die Tür schloß sich. Eine Laterne brannte an der Ecke, die der Biegung der äußeren Wand folgte. Hier gab es zwei Türen, die beide geschlossen waren.
Er legte die Hand auf den Riegel der linken Tür und nickte zu der anderen hin. »Diese führt nach draußen. Ich muß den Weg zur Königin jetzt abkürzen. Es wäre nicht gut, sie bei der ersten Sitzung warten zu lassen.«
Die Tür führte tatsächlich nach draußen – in einen Innenhof, wie ich durch meine Erkundungen wußte. Dieser Künstler war sicherlich ein vielseitiger Bursche.
Er öffnete die Tür nicht. Er wandte sich mir halb zu. »Du bist sicherlich Drajak der Schnelle?« Seine Hand umklammerte den Dolchgriff.
»Aye. Und du?«
»Caspar Del Vanian. Lahal.«
»Lahal.« Mich durchfuhr ein echter Schock. Ein großartiger Künstler, der für Delias Großvater, den Herrscher von Vallia, gemalt hatte, war Caspar Del Vanian genannt worden. Wenn dieser prächtige junge Bursche der Urenkel war, so hatte er offensichtlich nie Dray Prescot zu Gesicht bekommen, als ich Herrscher von Vallia gewesen war. Außerdem war Caspar
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