4 Meister-Psychos
gehen, Herr Kommissar. Wenn er es nicht ist, fresse ich einen Besen und
Stiel und Scheuerfrau.«
»Wenn er es nicht ist«, sagte
Nogees drohend, »können Sie Ihren bescheidenen Nachlaß ordnen.«
»Oh, das ist in zehn Minuten
erledigt. Ich...«
»Ruhe. Suchen Sie im
Telefonbuch seine Nummer.« Nogees zog seine Schuhe an, während Steinmann eifrig
mit dem Finger die Spalten entlangfuhr.
»Habe ihn, Fehling, Jens,
Schauspieler. Die Frauen scheinen nicht so viel von ihm zu halten, er ist geführt,
hat nicht mal eine Geheimnummer.«
»Sie werden auch nie eine
brauchen«, sagte der Kommissar trocken. »Hören Sie zu. Schleichen Sie sich die
Treppe runter, und halten Sie seine Tür im Auge. Lautlos, verstanden! Warten
Sie, bis ich komme.«
Steinmann fragte nichts mehr
und verschwand. Einen Augenblick wartete Nogees noch, dann hob er den Hörer ab
und wählte die Nummer, die der Assistent ihm auf einen Zettel geschrieben
hatte. Er wartete gespannt, vernahm leise das Klingeln in der Wohnung unter
sich. Dann knackte der Apparat.
»Fehling. Bitte?«
»Verzeihung«, flüsterte Nogees
mit hoher, heiserer Stimme. »Ist dort nicht Warrender? Stefan Warrender? Ich
habe eine wichtige Nachricht für ihn.«
Lieber Gott, dachte Nogees, der
dümmste Trick der Welt; wenn er darauf hereinfällt, ist es wirklich ein Wunder.
»Wer sind Sie?« fragte der
andere, und seine Stimme schien dem Kommissar erregt.
»Ich muß erst wissen, ob ich
Herrn Warrender sprechen kann.«
Nogees tat der Kehlkopf weh,
das Krächzen bekam ihm nicht.
»Ich bin Warrender. Also?«
Behutsam legte Nogees den Hörer zurück. Dann nahm er aus seinem Seitenfach
seines Schreibtisches eine kleine Pistole, steckte sie zu sich und verließ die
Wohnung.
Am Treppenabsatz grinste ihm
Steinmann entgegen. Nogees klopfte ihm wortlos auf die Schulter. Dann läutete
er anhaltend an Fehlings Tür.
Aus der Tiefe der Wohnung
näherten sich Schritte. Fehling öffnete, er war im Schlafrock, und Steinmann
erkannte sofort Herrn Alcest, den Favoriten seiner schönen Sophie wieder.
»Herr Kommissar! Was darf ich
so spät noch von Ihnen erhoffen? Treten Sie ein!«
»Ich bedaure, Sie jetzt noch
stören zu müssen, Herr Fehling. Aber ich möchte gern von Ihnen wissen, warum
Sie sich hin und wieder Stefan Warrender nennen und wo Sie den Abend des 8. Mai
verbracht haben.«
Fehling sah von Nogees zu
Steinmann, wieder zu Nogees. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln.
Weiß Gott, er lächelte.
Julia verließ das Theater
mißmutig. War ja ganz nett gewesen — aber sie hatte eben keine richtige Lust,
irgend etwas zu unternehmen. Die rechte Stimmung fehlte, und die Ablenkung half
ihr nicht über die trüben Gedanken hinweg. Gern hätte sie mit Steinmann
gesprochen, fünf Reihen vor sich hatte sie ihn entdeckt, aber er war nach der
letzten Szene so schnell verschwunden, daß sie ihm nicht hatte folgen können.
Wer wußte, was ihn hinaustrieb, wahrscheinlich der leidige Durst. Was nützt das
schon? Weiter kam sie doch nicht, der Mörder lief frei herum, und Peter saß.
Sie lenkte ihren Wagen durch
die lichtdurchfluteten Straßen zum Hotel. Die Garage lag ein Stück weiter, und
Julia hielt vor einer Straßenbahn, an der sich die Fahrgäste drängten; in der
Mehrzahl Theaterbesucher, die heim wollten. Julia sah uninteressiert auf die
Menschen, langsam schob sich der Wagen vor.
Dann bremste sie mit einem
scharfen Ruck, und alles Blut strömte ihr zum Herzen. Ein Mann stieg in die
Straßenbahn, mit beiden Händen zog er sich an den Griffen hoch, ein Mann im
hellen Trenchcoat, und seine Füße steckten in hellen, sandfarbenen Sandalen —
nie würde sie das Bild dieser Schuhe aus dem Gedächtnis verlieren!
Der Mann! Ihr Mann, der
Verlorene, Unauffindbare — da war er!
Julia konnte es nicht fassen,
ihre Stirn war naß, ihre Hände klebten. Die Bahn fuhr an, wie ein Automat
schaltete Julia und gab Gas, rollte langsam hinterher. Diesmal mußte sie
herausfinden, wo er hinging, diesmal durfte er nicht entkommen!
Die Straßenbahn rollte um
Kurven und über Weichen, klingelte, hielt, fuhr wieder an. Julia beobachtete
hinter der Windschutzscheibe die aussteigenden Fahrgäste mit brennenden Augen.
Noch war er drin, noch fuhr er mit! Die Gegend, durch die sie nun fuhren, kam
ihr bekannt vor, richtig, hier hatte sie ihn zum ersten Male verfolgt und
verloren. Sie fuhr mit Standlicht, blieb jetzt, da die Straßen leer wurden,
etwas weiter zurück. Wie würde das bloß
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