4 Meister-Psychos
Dinge
nicht so abgespielt haben, Herr Fehling? Trotz Beileidsbrief!«
Der Schauspieler blieb
unerschütterlich. »Abgesehen davon, daß Sie mir meine Schuld beweisen müssen,
Herr Kommissar, nicht ich Ihnen meine Unschuld — ich war um acht zu Haus, hier
bei mir. Ich sagte Ihnen ja, daß ich vor Spielbeginn noch einmal hierher,
mußte. Deswegen meine Eile.«
»Können Sie beweisen, daß Sie
um acht Uhr hier bei sich zu Hause waren? Wer hat Sie gesehen?«
Jetzt lächelte der Schauspieler
wie am Anfang, als er die Tür geöffnet hatte.
»Ich bin außerordentlich
dankbar, Herr Kommissar, daß gerade Ihr Zeugnis mich von diesem häßlichen
Verdacht reinigen wird. Aber Sie haben mich gesehen. Erinnern Sie sich nicht?
Wir gaben uns gegenseitig die Klinke in die Hand und zogen mit der anderen den
Hut!«
Nogees sah ihn an wie ein
giftiges Reptil. Tatsächlich! Es war so, wie Fehling sagte. Er war von seiner
Wohnung aus zu Randolph gegangen, Punkt acht, zwanzig Minuten brauchte er,
zwanzig Minuten nach acht hatte er Julia von Herlyn im Zimmer des Toten
gefunden!
In seinem Hirn überschlugen
sich die Gedanken, es mußte irgendeinen Rechenfehler geben, wo war er bloß —
aber er kam nicht darauf. Verdammt, es stimmte! Fehling war ihm an der Haustür
begegnet, jetzt erinnerte er sich ganz genau.
»Ja«, sagte er langsam und
dachte dabei unaufhörlich nach, »ja, ich erinnere mich...«
»Ich wußte es, Herr Kommissar.
Natürlich haben Sie einen Haufen anderer Sachen im Kopf, aber«, und nun war der
Triumph in seiner Stimme nicht mehr zu überhören, »man steht nun mal nicht
gerne unter Mordverdacht, das werden Sie mir nachfühlen können.«
Nogees sah, daß im Augenblick
nicht mehr zu holen war. Er hatte verloren. Wenn Marohn dabei blieb, das Haus
erst um acht Uhr verlassen zu haben, war Fehlings Alibi unanfechtbar, und er
kam als Täter nicht in Betracht. Wenn nicht — aber das würde sich
herausstellen.
Nogees stand auf, und Steinmann
erhob sich langsam.
»Es tut mir wirklich leid, daß
ich Ihnen nicht weiterhelfen kann«, sagte Fehling verbindlich, »aber Sie sehen,
ich hatte Grund, mich völlig schuldlos zu fühlen. Deswegen habe ich auch Herrn
Warrender nicht entschleiert. Aber das nächste Mal...«
»Ich danke für Ihre Auskünfte,
Herr Fehling«, sagte der Kommissar kurz. »Entschuldigen Sie bitte, daß wir Sie
so spät gestört haben. Falls ich weitere Aufklärung brauche, lasse ich Sie
benachrichtigen. Gute Nacht.«
»Ich stehe selbstverständlich
zu Ihrer Verfügung, Herr Kommissar. Wir Mieter müssen doch zusammenhalten. Gute
Nacht. Angenehme Ruhe!«
Er nickte dem Assistenten zu,
begleitete dann die beiden zur Tür, und der Spott in seinen Augen wich nicht,
bis er sie hinter ihnen geschlossen hatte. Er kehrte in sein Wohnzimmer zurück,
setzte sich und blieb sitzen, in tiefes Nachdenken versunken.
Ein Stockwerk höher setzten
sich Steinmann und Nogees an des Kommissars Rauchtisch. Steinmann gab seinem
Chef Feuer, und der Kommissar blies den Rauch in tiefen Stößen von sich.
»Habe das dumpfe Gefühl, daß
wir nicht gerade ruhmbedeckt heimgekehrt sind. Was meinen Sie?«
»Eiskalter Bursche«, erwiderte
Steinmann. »Dem ist nicht so ohne weiteres beizukommen. Und sein Alibi steht
wie eine Eins.«
»Ja, und ausgerechnet ich muß
ihm an der Haustür begegnen!«
»Ich weiß nicht«, begann
Steinmann nach einer Pause, »ich kann mir nicht helfen — irgendwo sitzt hier
ein Haken. Er war so sicher, wie nur jemand sein kann, der davon überzeugt ist,
daß er alle Trümpfe in der Hand hat. Als hätte er alles schon vorher
zurechtgelegt für den Fall, daß Warrender doch wider Erwarten entdeckt werden
würde. Das ist es, was mir an ihm nicht gefällt. Vielleicht hätten wir nach den
gelben Schuhen sehen sollen.«
Der Kommissar bewegte
wegwerfend die Hand. »Völlig sinnlos. Glauben Sie im Ernst, er bewahrte sie
noch auf, wenn er wirklich der Täter ist? Und die niedliche Julia hat doch die
gelben Schuhe erst zehn Minuten nach acht im Paternoster gesehen — und um acht
war Fehling hier.«
»Wie kam er denn so schnell
hierher? Sie haben doch zwanzig Minuten bis zur Praxis gebraucht!«
»Er wird eine Taxe genommen
haben, Steinmann. Schauspieler haben es immer eilig und nehmen immer Taxen,
wenn sie keinen eigenen Wagen haben. Da konnte er in zehn oder auch fünf
Minuten hier sein.«
»Hm.« Steinmann dachte
angestrengt nach. »Und wenn er nun nach der Begegnung mit Ihnen noch mal zur
Praxis gefahren ist.
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