4 Meister-Psychos
Mit der Zeit käme es raus.«
Der Kommissar furchte die
Stirn. »Wäre möglich. Aber er hatte keine gelben Schuhe, als ich ihn traf. Und
unter dem Arm trug er auch nichts. Außerdem läßt sich ja feststellen, wann er
im Theater eingetroffen ist.«
»Als Sie ihm begegneten, war er
ja erst auf dem Wege in seine Wohnung«, fuhr Steinmann unbeirrt fort. »Und wehe
ihm, wenn er ein paar Minuten zu spät im Theater war. Ich habe was gegen
unpünktliche Leute.«
»Ich überlege mir auch schon
die ganze Zeit, wo unser Rechenfehler steckt«, sagte der Kommissar müde. »Aber
heute nacht werde ich wohl nicht mehr dahinterkommen. Und Sie suchen auch am
besten Ihr menschenleeres Bett auf, sonst sind Sie morgen wieder nicht
pünktlich im Dienst. Und ich habe was gegen unpünktliche Leute.«
Steinmann verzog das Gesicht.
»Sie wissen gar nicht, was Sie an mir haben, Herr Kommissar. Ich berechtige zu
den größten Hoffnungen!«
Nogees schob ihn zur Tür. Sie
standen auf dem Flur, als das Telefon klingelte. Nogees sah Steinmann verblüfft
an, dann ging er schnell ins Zimmer zurück, und der Assistent folgte ihm mit
bösen Ahnungen.
Der Kommissar preßte den Hörer
ans Ohr, stellte einige hastige Fragen und hängte ein. Dann wandte er sich um.
»Zärtlich ist die Nacht«, sagte
er. »Wissen Sie, was los ist? Unsere Privatdetektivin und Mörderin a. D. hat
den Latschenmann gefunden und belauert ihn wie ein Iltis das Kaninchen.«
»Ich sag’s ja immer«, erwiderte
Steinmann, und der Kommissar sah ihm an, wie sehr ihn diese Nacht freute.
»Cherchez la femme — laß die Frau suchen! Die findet alles. Sie sehen mich
sprachlos an, Herr Kommissar!«
VIII
Zwanzig Minuten später bogen
sie, das Mädchen in der Mitte, in die Straße ein, die Julia ihnen bezeichnete,
und bemühten sich, ihre Schritte auf den Steinplatten des Bürgersteigs zu
dämpfen. Nur hinter einigen wenigen Fenstern schimmerte noch Licht, Fußgänger
begegneten ihnen überhaupt nicht mehr. Steinmann umklammerte die Handschellen
in seiner Tasche, um ihr Klappern zu verhindern, und sehnte den Augenblick
herbei, da er sie um die Handgelenke seines Mannes schnappen lassen konnte. Der
Kommissar war weniger siegessicher. Er überlegte, welche Form des Rückzuges er
antreten könnte, wenn sie wieder den Falschen erwischten und einen braven,
steuerzahlenden Bürger mitten in der Nacht irrtümlich aus dem Bett holten. Ach
was, zum Teufel, bisher hatten sie offenbar nur die Falschen erwischt, es kam
auf einen mehr oder weniger nicht mehr an.
Julia griff nach seinem Arm und
blieb stehen.
»Hier ist es«, flüsterte sie,
»dort, der nächste Eingang, das Tor. Vorhin war es nicht verschlossen!«
Steinmann drückte sich in den
dunklen Eingang und lehnte sein Gewicht gegen den Türflügel. Er atmete auf, als
die Tür nachgab, winkte den beiden und ging mit behutsamen Schritten weiter.
Sie blieben am Ende der Durchfahrt im Schatten der Mauer stehen. Julia wies auf
das Hintergebäude.
»Dort oben«, flüsterte sie,
»rechts, das zweite Fenster im oberen Stockwerk — dahinter war er, ich sah
seinen Schatten — dort muß er sein!«
Nogees steckte den Kopf vor,
sein Blick überflog den Hof und das Hinterhaus. Keine sehr trostreiche Gegend.
Der Eingang dort schien der einzige zu sein. Rechts lehnte sich das Haus an die
Umfassungsmauer, an der linken Seite türmten sich Holz und alte Fässer, da
waren kein Weg und kein Platz für einen weiteren Eingang.
Nogees wandte sich um. »Sie
bleiben hier und rühren sich nicht von der Stelle, hören Sie! Warten Sie, bis
wir wiederkommen!«
Julia nickte, es war ihr auch
viel lieber so.
»Kommen Sie, Steinmann!«
Julia sah, wie die beiden
Männer im Schatten der Mauer auf das Haus zugingen. Ihre Schritte verursachten
keinen Laut. Jetzt erreichten sie die Tür. Sie sah, wie der Kommissar die
Klinke ergriff und unendlich langsam öffnete. Jetzt verschwand er im Inneren,
und Steinmann folgte ihm. Dann wurde der Türspalt enger und enger, jetzt schloß
er sich ganz.
Julia spürte, daß sie vor
Aufregung zitterte. Wenn es doch bloß erst vorüber wäre! Sie war schuld daran,
wenn den beiden etwas zustieß.
Im Haus blieb alles still.
Jetzt sah sie den Schein einer Taschenlampe im Treppenhaus — sie waren auf dem
Weg nach oben. Julia verfolgte den Lichtschimmer, und es verging eine halbe
Ewigkeit, bis sie ihn im obersten Fenster der Reihe wiederauftauchen sah. Was
würde jetzt kommen? Ihr Herz schlug wie ein dumpfer Hammer, sie
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