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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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verließen das
Gebäude, einer nach dem anderen. Die haben es gut, dachte er, die sind frei und
leichten Herzens, die können gehen, wohin sie wollen, und niemand erhebt einen
Vorwurf gegen sie. Was mußte das für ein Gefühl sein, frei und unbehelligt tun
zu können, was man will!
    Er wurde schläfrig, er dachte
in unzusammenhängenden Bruchstücken, über die er keine Gewalt mehr hatte, aber
er kämpfte gegen den Schlaf, er mußte doch weiterdenken, mußte zu einem
Ergebnis kommen; morgen war es zu spät!
    Allmählich wurden seine
Atemzüge tiefer, dann sank sein Kopf zur Seite. Er hörte nicht die Schläge der
großen Turmuhr und nicht die Schritte des Postens auf dem Flur, bis er nach
Mitternacht plötzlich erwachte. Ja, er war noch in der Zelle, kein Zweifel.
Doch eingeschlafen! Wo war er denn stehengeblieben? Bei den gelben Sandalen. Na
wenn schon.
    Aber es war, als hätte sich
dieser letzte Gedanke vor dem Versinken besonders fest in seinen Kopf genistet,
hartnäckig kam er wieder und wieder und war nicht zu vertreiben. Wieso kam er
ausgerechnet immer auf diese blöden Dinger zurück? Wo trug man die überhaupt?
Indien, Afrika, überall, wo es heiß und trocken ist, vielleicht auch in Italien
oder Griechenland. Da konnte der Kommissar lange suchen, bis er alle Ausländer
durch hatte, in deren Heimatländer man solche Schuhe trug oder anfertigte! Er
wollte weiter, wollte sich der nächsten Vorstellung zuwenden, da kehrten seine
Gedanken noch einmal zurück. Griechenland? Was war mit Griechenland?
    Er richtete die Augen zur
Decke, die undeutlich über ihm hing, und lag ganz still. Griechenland? Kannte
man jemanden aus Griechenland? Mit ungeheurer Anstrengung versuchte er die
Wand, die sein Gedächtnis teilte, zu durchbrechen, warum wollte bloß die
verfluchte Erinnerung nicht wiederkommen, was lag da im dunkeln?
    Dann begann er plötzlich sich
aufzurichten, er merkte es kaum, es war, als wollte sein Kopf der Erinnerung
entgegengehen.
    Jetzt war er hellwach, der
letzte Rest von Müdigkeit verflog, und er saß auf der Bettkante. Griechenland!
Jetzt wußte er, wer in Griechenland gewesen war. Und die Schuhe! Wenn er sie im
Leben schon einmal gesehen hatte, dann dort, nur dort! Es konnte nicht anders
sein.
    Ja aber...
    Er preßte die Hände an den
Kopf. War das möglich? Weiter und weiter krochen seine Gedanken, an einem
dünnen Faden ließ er sich in den Abgrund hinab, der sich vor ihm auftat. Und
dann kam eines zum anderen, mit rasender Schnelligkeit fügte sich das Bild
zusammen, so daß er mit seinem eigenen Denken kaum zu folgen vermochte. Er
sprang auf, ging in der Zelle auf und ab. Keine Lücke, kein Fehler. Es stimmte,
es mußte stimmen!
    In dieser Nacht schlief er
nicht mehr. Durch den Mann, der ihm das Frühstück brachte, ließ er sich bei
Nogees melden, und der Kommissar blickte erstaunt auf, als er Marohns
entschlossenes Gesicht sah.
     
     
    Julia von Herlyn kam als erste.
Ihr schwarzer Wagen rollte langsam am Hause vorbei und hielt unter der Laterne
an der gegenüberliegenden Straßenseite. Ja, hier hatte sie vor einem Monat auch
gestanden, damals, als das Verhängnis begann. So viel lag dazwischen. Und warum
war sie heute wieder hier? Was bezweckte der Kommissar mit dieser
Zusammenkunft? Sie stieg aus und ließ den Hund noch eine kurze Zeit
herumlaufen, ehe sie ihn zurückrief und in den Wagen einschloß. Mit traurigen
Augen sah er ihr nach. Sie hatte ihn liebgewonnen, er war ein Ersatz für Peter
und erinnerte sie an ihn, und manches zärtliche Streicheln ging auf Peters
Rechnung.
    Sie trat durch die schwere Tür,
die mit saugendem Geräusch hinter ihr ins Schloß fiel, roch wieder die kühle,
schwere Luft und hörte das leise, immerwährende Summen des Aufzuges. Eine
Kabine nach der anderen stieg aus dem schwarzen Schacht, und während Julia
unentschlossen wartete, betrachtete sie den grellrot umrandeten Knopf neben dem
Eingang, mit dem man durch einen Druck den Paternoster zum Stehen bringen
konnte. Dann stieg sie ein und fuhr nach oben.
    Ilse Randolph öffnete, und
Julia erkannte sie sofort wieder, obwohl sie in dem weißen hochgeschlossenen
Mantel einen fremden, unpersönlichen Eindruck machte. Sie lächelte nicht, als
sie Julia bat, einzutreten.
    »Guten Abend. Bitte legen Sie
ab und kommen Sie herein.« Sie haßt mich, dachte Julia, sie haßt mich wegen
Peter — oder wegen ihres Mannes.
    »Es ist nicht meinetwegen, daß
ich hier bin, gnädige Frau«, sagte sie, »Herr Kommissar

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