4 Meister-Psychos
ihn decken wollen.«
Er hatte seinen Ton nicht
verändert, und obwohl Julia ihn so gut kannte, konnte sie nicht verhindern, daß
sie bleich wurde. Aber nicht wegen seiner Anschuldigung, die er hier vor allen
anderen, vorbrachte. Ein anderer Gedanke war ihr gekommen. Wenn Fehling recht
hatte? Sie hatte ihn nicht kommen hören, lautlos war er im Türrahmen
aufgetaucht, hatte sie den Revolver berühren lassen...
Nogees wandte sich mit leichter
Verbeugung zu Fehling.
»Als nächster der illustren
Gesellschaft erschien ich selbst auf der Bildfläche. Ich fand den Toten und
Fräulein von Herlyn. Es war acht Uhr fünfzehn oder siebzehn — nicht später.
Acht Uhr zwanzig rief Frau Dr. Randolph an.«
Er blickte kurz zu Ilse, die
unbeweglich dasaß.
»Waren Sie eigentlich an diesem
Abend zu Randolph bestellt?« fragte Fehling gemütlich.
»Nein«, sagte Nogees, und Julia
wurde von wachsender Unruhe erfüllt, »nein, ich war nicht bestellt. Ich kam
ganz zufällig.«
»Interessant.« Fehling
betrachtete seine Fußspitzen. »Ich war aber bestellt, Herr Kommissar.«
»Ich weiß.« Jetzt bedeckte eine
leichte Röte das Gesicht des Kommissars. »Aber als Warrender. Nicht als
Fehling.«
Das Lächeln verschwand von
Fehlings Gesicht, seine Kaumuskeln spannten sich. Gleichzeitig bemerkte Julia,
wie Ilse Randolphs Gesicht sich verfärbte. Mit aufgerissenen Augen sah sie zu
dem Mann an ihrer Seite. Verstört wandte sie sich dem Kommissar zu, als er sie
ansprach.
»Wir wollen zu Ende kommen. Als
letzte trafen Sie ein, gnädige Frau. Halb neun, zehn Minuten nach Ihrem Anruf.
Sie haben ausgesagt, die Wohnung gegen halb sechs verlassen zu haben und im
Kino gewesen zu sein.
Da für uns alle, auch nach
Herrn Fehlings Ansicht, das gleiche Recht gelten soll, müssen wir den Verdacht
auch auf Sie ausdehnen. Motive lassen sich in einer Ehe finden. Auch in Ihrem
Fall könnte man bezweifeln, ob Sie überhaupt im Kino gewesen sind. Auch Sie
hatten die Möglichkeit, kurz nach acht Uhr die Praxis zu betreten und Ihren
Mann zu erschießen. Sie kannten seine Gewohnheiten am besten. Was hindert uns,
Sie für die Täterin zu halten!«
»Sie dürfen es ihm nicht
übelnehmen, gnädige Frau«, Fehlings Stimme vibrierte voll unterdrückter Wut,
»es liegt an seinem Beruf. Sonst ist er nicht so.«
Julia empfand Mitleid mit Ilse
Randolph, sie fand Nogees’ Methode brutal und herzlos. Sie sah zu Peter
hinüber. Er rauchte mit hastigen Bewegungen und sah sie nicht an.
»Sind Sie bald fertig, Herr
Kommissar?« fragte die Ärztin ruhig.
»Noch nicht ganz, gnädige Frau.
Es ergibt sich also die interessante Tatsache, daß jeder der hier Anwesenden der
Täter gewesen sein kann. Keiner hat einen wirklich stichhaltigen Beweis, daß er
kurz nach acht nicht in dieser Wohnung gewesen ist. — Sie sehen, ich nehme mich
nicht aus, Herr Fehling.«
Wieder sah er zu Marohn. »Nun
die Motive. Das von Dr. Marohn liegt klar auf der Hand. In Verbindung damit
steht das von Fräulein Herlyn. Herr Fehling und ich sind Patienten von Dr.
Randolph gewesen — wobei ich noch den Vorteil habe, unter meinem richtigen
Namen aufgetreten zu sein. Immerhin haben wir mit ihm in Verbindung gestanden
und können Gründe gehabt haben, ihn aus dem Weg zu räumen.
Frau Randolph endlich kann die
Tat aus Eifersucht, Haß oder einem verwandten Motiv begangen haben.«
Fehling brach das Schweigen.
»Da sind wir ja in ausgezeichneter Gesellschaft. Darf ich nun die unverfrorene
Frage stellen, weswegen vier Wochen für die Polizei nicht genug waren, den
Täter unter uns herauszufinden? Denn einer von uns muß es doch wohl sein. Haben
Sie uns hier versammelt, um abzuzählen wie vor dem Blindekuhspiel? Oder was sollen
wir sonst hier?«
Nogees betrachtete ihn
nachdenklich. »Nehmen Sie an, ich wollte uns einmal miteinander bekannt
machen«, sagte er langsam. »Ist das nicht ein guter Gedanke?«
»Ein großartiger«, versetzte
Fehling in höhnischer Anerkennung, »und er ist sogar gelungen. Und weiter?«
Nogees strich sich über die
Stirn. Er sah jetzt abgespannt und mutlos aus.
»Bei dieser Gelegenheit möchte
ich an Sie alle die Frage richten, ob jemand von Ihnen noch etwas zur
Aufklärung beitragen kann — einen Einfall oder eine Beobachtung. Zuvor bitte
ich Sie, zu bedenken, daß Dr. Marohn den Indizien nach der Hauptverdächtige
ist. Das Ermittlungsergebnis ist heute an die Staatsanwaltschaft abgegangen —
in wenigen Tagen kann der Prozeß beginnen.«
Es erklang ein
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