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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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setzte, erklang ein leiser, metallisch summender
Ton. Julia atmete tief ein und schloß ihre Hand fest um die Armstützen ihres
Sessels. Die Uhr begann zu schlagen.
    Die Augen des Kommissars gingen
von einem zum anderen. Peter sah mit ruhigem Blick zur Uhr hinüber. Frau Randolph
hielt die Hände über die Armlehne gefaltet, die tief gesenkten Lider verbargen
ihre Augen. Fehling zählte mit lautloser Lippenbewegung die Schläge. Er war
blaß, seine Stirn feucht. Julia fühlte das dumpfe Pochen ihres Herzens und
verglich es mit dem Rhythmus der Glocke. Mit Unmut stellte sie fest, daß ihr
Herz bedeutend schneller ging.
    Der letzte Ton verhallte, aber
das zitternde Vibrieren blieb endlos lang in der Stille zurück. Niemand rührte
sich mehr. Wie ein unsichtbares, aber körperliches Gebilde wuchs die Spannung
im Raum. Die Wände strahlten sie aus, von der Decke senkte sie sich auf die
schweigende Versammlung nieder, die schweren Fenstervorhänge, deren Falten
unbeweglich wie aus Eisen gegossen hingen, warfen sie zurück.
    Gott sei Dank, daß die anderen
dabei sind, dachte Julia. Allein würde ich es nicht aushalten. Jetzt, da es
soweit war, wünschte sie, daß es schnell Vorbeigehen sollte, sie fürchtete die
Gewißheit und sehnte sie doch mit schmerzlicher Neugier herbei. Sie hatte die
Empfindung, als würde die Luft schwer und bleiern und als stiege die Temperatur
im Zimmer von Sekunde zu Sekunde.
    Sie sah neben sich Fehlings
Hand, weiß, weich, mit feinen schwarzen Haaren bedeckt, die stellenweise
schweißverklebt waren. Das Glitzern der geleerten Gläser, der Revolver, der
kunstvoll geschmiedete Briefbeschwerer, alles prägte sich ihr mit greller
Deutlichkeit ein, und doch verschwammen die Gegenstände, wenn sie sie längere
Zeit fixierte.
    Unsäglich langsam krochen die
Sekunden dahin. Peter sah vor sich auf den Tisch, über seiner Nasenwurzel stand
eine steile Falte, die Julia nie vorher bemerkt hatte. Ilse Randolph saß wie
eine Statue, nur vereinzelt verriet ein Zucken der Wimpern, daß Leben in ihr
war. Fehlings Augen flackerten unstet, an seiner Schläfe lief in einem dünnen
Rinnsal der Schweiß herunter. Nogees hatte den Kopf leicht gedreht, als lausche
er den Schritten des Unbekannten, auf den er wartete. Nach einer halben
Ewigkeit sah Julia mit einem schnellen Blick zur Uhr — es waren erst zwei
Minuten vergangen, seitdem sie geschlagen hatte.
    Wenn Nogees sich geirrt hatte
und der Mörder nicht kam? Was war aus dem Mann geworden, der die gelben Schuhe
getragen hatte? Sie verstand so vieles nicht, und je mehr sie nach einer Lösung
suchte, desto verworrener erschien ihr das Ganze und um so unwirklicher kam ihr
diese gespenstische Versammlung vor. Seit dem Tage, an dem sie wieder nach
Hause und an ihre Arbeit zurückgekehrt war, hatte sie mit verzehrender Sorge
auf eine Nachricht von Nogees gewartet. Wenn diese kurze Frist jetzt verstrich
und nichts geschah — was sollte aus Peter werden, was aus ihr?
    Die tödliche Stille dauerte an,
und die Spannung wuchs und wuchs. Julia beobachtete die anderen nicht mehr, das
weiße, stumme Viereck der Tür zog ihren Blick an. Würde sie sich öffnen? Je
länger sie auf die Klinke starrte, um so häufiger narrte sie der Eindruck, daß
sie sich bewege, unmerklich, aber stetig. Dann tauchte eine Vorstellung auf,
ein Bild, das sie direkt körperlich wahrnahm und das sich nicht verscheuchen ließ,
so sehr sie sich auch bemühte — sie sah im Türrahmen, durchsichtig und
schattenhaft, aber dennoch von der weißen Fläche scharf abgehoben die Gestalt
des toten Randolph, mit einem schmutzigen Fleck über der linken Brust, hoch
aufgerichtet, und sie mußte ihre ganze Kraft zusammennehmen, um ruhig zu
bleiben.
    Jetzt vernahm sie pfeifende
Atemzüge. Es war Fehling. Er saß mit verkrampften Händen und aufgerissenen
Augen. In seinem Gesicht zuckte es unheildrohend. Noch kurze Zeit, und er würde
die Beherrschung verlieren.
    Herrgott, wenn es doch nur
vorüber wäre! Sechs Minuten nach acht! Jetzt, heute vor vier Wochen, in einer
dieser Minuten mußte der tödliche Schuß gefallen sein. Es war, als nähme der
Tote jetzt noch Rache an den Überlebenden, indem er sie an seiner Todesfurcht
teilhaben ließ, aber länger, unendlich viel länger.
    Noch drei Minuten, dachte
Julia, nur noch drei Minuten!
    Da erlosch das Licht. Im Zimmer
herrschte tiefe, feindliche Dunkelheit.
    Unwillkürlich krümmte sich
Julia tiefer in ihren Sessel. Neben ihr erklang ein ersticktes Keuchen.
    »Was

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