4 Meister-Psychos
essen?«
»Ja — wieso?«
»Bißchen viel. Wo hast du die
Flaschen?«
»Auf dem Balkon.«
Ich holte sie herein und fing
an, sie zu entkorken. »Du, Vera«, sagte ich nach einer Pause. »Wie stellst du
dir das vor — offiziell mitteilen? Willst du ans Glas klopfen und eine Rede
halten? Oder soll ich von selber darauf kommen?«
Sie hielt inne und sah mich ein
bißchen scheu an.
»Ich
habe es mir auch schon überlegt«, sagte sie leise »Vielleicht — sagt er
etwas...«
»Er wird gar nicht daran
denken«, sagte ich trocken.
Sie senkte den Kopf.
»Weißt du«, sagte ich, »wir
machen es so. Wir tun so, als hättest du es mir eben gesagt. Ich werde ihm ganz
beiläufig und zwangslos zu dir gratulieren. Dann staunt er. Wie gut ich die
Neuigkeit überwunden habe, und alles ist in Ordnung.«
Sie sah wieder auf.
»Ja, mach es so, Stephan.«
»Na also«, sagte ich. »Nur
keine Angst. Kampf wai doch nie unser Fall.«
Sie lächelte mich an.
»Nie.«
Ich füllte den Wein in die
Bowlenkanne.
»Gläser sind im Schrank«, sagte
Vera.
Ich ging ins Wohnzimmer und
sah, welche Mühe sie sich gegeben hatte.
Für ihn, mußte ich denken.
Ich holte die Bowlengläser
heraus und stellte sie zwischen die Teller und Blumen. Früher hätte ich mich
gefreut. Jetzt war mein Herz leer und tot. Nützte es. etwas, wenn Peters nicht
mehr da war? Sie würde ihn immer lieben und mich nur dulden.
Aber vielleicht würde sich das
auch ändern.
Ich fand ein paar halbhohe,
massivere Gläser. Sie waren richtig für meinen Cocktail. Ich nahm sie mit
hinaus in die Küche.
»Hast du Zitronen?« fragte ich.
»Haufenweise. In der
Speisekammer.«
Sie zeigte mir, wo die Presse
stand. Ich preßte sechs Zitronen aus und goß den Saft in eine kleine Kanne. Dann
öffnete ich die Rumflasche und setzte den Korken leicht wieder auf.
»Was wird das?«
»Der Aperitif«, sagte ich.
»Du Guter«, sagte Vera.
Ich wandte mich ab, um sie
nicht mehr ansehen zu müssen.
Nach einiger Zeit war sie mit
ihrer Platte fertig. Es war eine bunte Palette, appetitlich anzusehen, mit
Gebirgen von Salaten und Delikatessen.
»Sollen wir das wirklich
bewältigen?« fragte ich.
»Natürlich. Für später habe ich
noch Würstchen.«
»Großer Gott!«
»Du — ob ich schon anfange, das
Brot zu rösten?«
»Wie oft warst du schon mit ihm
verabredet?« fragte ich.
Sie sah erstaunt aus.
»Wieso? Ach — du meinst...«
»Ja, das meine ich«, sagte ich.
»Warte ruhig damit. Komm, wir setzen uns rein und rauchen eine.«
Ich behielt recht. Es war
dreiviertel zehn, als Peters erschien. Er kam herein, und Veras Kummer war
verflogen.
»Tut mir schrecklich leid«,
sagte er strahlend. »Kommt doch der Waldhagen aus Marburg und hält mich auf.
Schreckliche Ausdauer, der Kerl. Konnte ihn aber nicht gleich rauswerfen. Er sitzt
in der Kommission, die die Forschungsgelder bewilligt.«
Ich wußte sofort, daß er eine
Lüge vorbrachte. Sein Leben lang würde er Vera belügen. Mein Zweifel
verschwand.
Ich war entschlossen.
Peters sah blendend aus. Der
leichte Anflug von Unordentlichkeit stand ihm. Aus mir konnte der korrekteste
Anzug nichts herausholen.
Er hatte fünf Rosen
mitgebracht, solche, wie ich sie damals besorgt und die Vera nicht mitgenommen
hatte. Lange Stiele und feste, schmale Blüten. Vera hielt sie vor ihr Gesicht,
und ihre hellen Augen leuchteten durch das Rot der Blumen.
»Unterhaltet euch«, rief sie.
»Ich muß rösten.«
»Wollen wir inzwischen ein paar
Kognaks zu uns nehmen, Herr Peters?« fragte ich.
»Das wäre nicht schlecht, würde
ich meinen.«
Die übrigen Flaschen standen auf
einem kleinen Tisch in der Nähe des Fensters. Ich füllte zwei Gläser. Ich
brauchte Alkohol. Auch Peters brauchte etwas zu trinken.
Als wir jeder zwei Gläser
getrunken hatten, fing ich an.
»Ich muß Ihnen gratulieren,
Herr Peters.«
Sein schalkhaftes Lächeln
blieb, aber in seine Augen trat die Erwartung eines Schuljungen, der vor dem
Lehrer steht und nicht weiß, ob er versetzt wird. Er schwieg.
Ich fuhr fort zu reden,
freundlich und mit einem Anflug von Bewunderung.
»Ich weiß jetzt den Anlaß des
Festes. Unsere liebe Gastgeberin wollte mich nicht im ungewissen lassen. Sie
wollte sich ungezwungen benehmen können. Ich kenne Vera. Ich kann Ihnen
wirklich nur gratulieren.«
Peters blickte zu Boden. Nun
hatte er den Sieg. Aber er schien ihm nicht zu behagen.
»Ja, nun«, sagte er gedehnt.
Sein Lächeln vertiefte sich. Ich war gespannt, was er sagen
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