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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Organ, Zelle um Zelle, weil die wenigen
Blutzellen, die noch in ihrem Körper kreisten, nicht genügend Sauerstoff
heranbringen konnten.
    Es wurde hell.
    Wieder diskutierten sie. Kein
Wort entging mir.
    Sie blieben blind und sahen die
Ursache nicht. Von den unsichtbaren Strahlen, die ihre Energie noch aussenden
würden, wenn Vera längst begraben war, konnten sie nichts ahnen.
    Der Pathologe schloß die
Demonstration.
    Ich lief als erster aus dem
Saal.
     
    Ich war bei Veras Beerdigung.
Meine Eltern und die ihren, das halbe Städtchen war dabei.
    Zwischen schwarzgekleideten
Menschen, Blumen und Gräbern stand ich, der Mörder. Die Trauerrede des Pfarrers
ertönte, und die Glocken dröhnten über mich hin.
    Veras Mutter weinte. Jede Träne
brannte sich in mein Herz.
    Als ich an die Reihe kam, meine
Handvoll Erde auf den Sarg zu werfen, war ich ein anderer geworden. Mein
bisheriges Leben war zu Ende. Ich hatte ein neues begonnen, wenn auch nur für eine
kurze Frist.
    Ich fuhr schon am Abend zurück.
    Der Dienst ging weiter. Nichts
erinnerte mehr an Vera.
    Am Morgen kam Peters zu seiner
gewohnten Zeit herunter. Seine Mißmutigkeit war verflogen. Mit Veras Tod waren
seine Sorgen hinter ihm versunken. Er setzte sich und spielte mit dem Lineal.
    »Wie war’s denn?«
    Er war natürlich nicht bei der
Beerdigung gewesen. Warum sollte er auch. Von seiner Verbindung mit Vera hatte
niemand etwas gewußt.
    »Wie so was immer ist«, sagte
ich müde. »Trauer, Tränen und Trostworte. Weihrauh und ernste Gesichter. Vera
hätte sich amüsiert.«
    Es fiel mir schwer, so zu
reden. Aber ich mußte ihn in seiner Sicherheit lassen.
    »Kann ich mir vorstellen. Sie
war nicht für Sentimentalitäten.«
    »Gar nicht«, sagte ich.
    »Das gefiel mir besonders an
ihr.«
    Ich suchte nach einer Antwort,
die nichtssagend genug war, meine Gedanken zu verbergen.
    Das Telefon klingelte.
    Peters nahm den Hörer ab.
    »Peters.«
    Ich sah sein Gesicht. Ich
wußte, wer anrief, bevor er ein Wort gesagt hatte.
    Sein Lausbubenlächeln strahlte
wie in alten Tagen.
    »Ja — na, das ist aber doch
sehr fein... Nein — wieso denn? Wer wird denn gleich schimpfen... Aber nicht
doch! Kann ja gar nicht sein! Ich bin immer zu erreichen… Wie... Ja, ja, das
würde wohl gehen... Na, da würde ich aber doch sagen, am besten bei mir...
Natürlich. Gar keine Bedenken.«
    Sie sprach. Er sprach. Ich
starrte auf den Schreibtisch. Meine Hand mit dem Bleistift kritzelte faserige
Striche auf den Block.
    Vera war einen Tag begraben.
    Na, da würde ich aber doch
sagen, am besten bei mir. Natürlich. Gar keine Bedenken.
    In ein paar Tagen würde er
nicht mehr wissen, wer Vera war. Aber das durfte nicht sein.
    Ich sorgte dafür, daß er an sie
denkt. Er stirbt denselben Tod wie sie. Langsam ersticken, Organ um Organ,
Zelle um Zelle.
    »Nun gut, fein«, sagte er.
»Sagen wir um sechs... Sehr schön. Und nicht mehr schimpfen. Wiedersehen.« Ich
blickte auf, als hätte ich nicht zugehört.
    »Ach, Herr Peters — ich wollte
gern noch einmal mit Ihnen über Vera reden.«
    Er sah mich an, nachsichtig, ohne
Argwohn.
    Ich feuchtete die Lippen an.
    »Bitte, verstehen Sie mich
richtig. Es ist weiter nichts. Ich muß nur mit irgend jemandem darüber
sprechen. Sollen Sie einmal zu mir kommen?«
    Er schwieg einen Augenblick,
dann nickte er.
    «Ja, das würde wohl zu machen
sein.«
    «Ist Ihnen der Sonnabend
recht?«
    Er furchte die Stirn.
    «Sonnabend? Warten Sie mal —
ich glaube, da ist irgendein Kongreß in Frankfurt...«
    Groß und blond. Ich kannte den
Kongreß.
    »Ach, sagen wir doch, den
nächsten. Das würde mir lieber sein.«
    »Wie Sie wollen«, sagte ich.
»So eilig ist es nicht.«
    »Nun gut, fein.«
    Wir sprachen weiter über
dienstlichen Kram. Dann ging er. Er würde kommen.
    Ich blickte auf den Notizblock
vor mir und sah, daß ich einen Galgen gezeichnet hatte, ohne es zu wissen.
    Am nächsten Abend wiederholte
ich, was ich schon zweimal getan hatte. Es ging schnell und leicht.
    Ich brauchte nicht mehr zu
pipettieren. Ich suchte mir eine Glasflasche, die etwas größer war als die
alte, und füllte die zwanzig Kubikzentimeter des verdünnten Strontiums hinein.
Auch die größere Menge würde in einem Cocktail nicht auffallen. Ich verbarg die
Flasche in meiner Bleibüchse und warf die alte unter den Dauerspüler, zu
anderen Glassachen.
    Dann überlegte ich. Was sollte
ich mit der leeren Originalflasche tun? Mein erster Gedanke war, sie wieder mit
destilliertem Wasser

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