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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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immer so. Leuten, die gern
Kinder haben wollen, passiert so was. Wer sich keine wünscht, behält sie.«
    »Ja, ja. Na, nicht zu ändern.
Haben Sie schon was herausgefunden?« Wir sprachen über die Messungen. Vera war
abgetan.
    Am Abend ging ich zu ihr. Es
war warm und windstill in der Dämmerung. Die Kranken in ihren ausgewaschenen
Hausanzügen hingen aus den Fenstern und schwatzten. Vom Schornstein des
Kesselhauses stieg ein dünner Rauchfaden kerzengerade in die Höhe.
    Die Frauenklinik war ein neuer,
langgestreckter Bau mit einem turmähnlichen Aufsatz, der fast nur aus
Glasfenstern bestand. Der Operationssaal.
    Dort war Vera gewesen.
    Der Pförtner war ein einarmiger
Invalide, der hier seinen Lebensabend verbrachte. Eine Thermosflasche stand vor
ihm. Er wies mich brummig zur Station.
    Ich fand die Schwester in der
Küche. Sie schmierte Brote und tat ungnädig. Als ich meinen Namen genannt
hatte, zerfloß sie vor Dienstbarkeit. Sie tänzelte vor mir her über den
Korridor bis zu Veras Zimmer.
    »Aber nicht lange«, flötete
sie.
    Ich ging hinein.
    Veras Bett stand in der Mitte
des Zimmers, mit der Breitseite zur Tür. Eine matte Lampe brannte. Die
Balkontür war halb geöffnet. Vera lag flach ausgestreckt auf dem Rücken.
    Unter einer leichten Decke sah
ich die Umrisse ihres Körpers. Ihr Gesicht war so weiß wie das Kissen, auf dem
ihr Kopf lag.
    Vorsichtig trat ich näher.
    Sie wandte mir ihr Gesicht zu
und öffnete die tiefliegenden Augen.
    »Guten Abend, Vera«, sagte ich.
»Wie geht es dir?«
    »Nimm dir doch einen Stuhl«,
sagte sie. Ihre Stimme klang matt.
    Ich holte den einzigen Stuhl
herüber, setzte mich auf die Kante und hielt meine Aktenmappe mit beiden
Händen.
    »War es schlimm, Vera?«
    Sie bewegte den Kopf hin und
her.
    »Es tut mir so leid«, sagte
ich.
    Ihre Augen schlossen sich. Dann
sah ich unter ihren Wimpern große, langsame Tränen. Sie zogen eine nasse Spur
über die weiße Haut und tropften lautlos auf das Kissen.
    Vera weinte.
    Ihre Lippen zitterten. Ein
feuchter Fleck breitete sich auf dem Leinen aus.
    »Wein doch nicht«, sagte ich
hilflos.
    Mit meinem Taschentuch wollte
ich ihre Tränen aufhalten.
    plötzlich stieß sie die Decke
zurück.
    Ihre Hände faßten nach meiner
Hand, die das Taschentuch hielt.
    »Ach, Stephan«, flüsterte sie,
»du hattest ja so recht.« Ich streichelte ihr Gesicht und tupfte an ihren Augen
herum.
    »So recht hattest du!«
    Sie schlug die Lider auf und
blickte mich an. Ihre Augen lagen hinter den Tränen, wie der Grund einer
Quelle.
    »Stephan!«
    »Ja, Vera.«
    »Magst du mich noch?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Stephan — wenn ich gesund bin
— ich nehme ihn nicht — ich nehme ihn bestimmt nicht.«
    Wenn ich gesund bin.
    Sie würde nie wieder gesund
werden.
    »Darf ich zu dir zurück,
Stephan?«
    »Immer.«
    »Hast du mich noch lieb?«
    »Ja.«
    »Bestimmt?«
    »Bestimmt.«
    Sie lächelte zwischen
glitzernden Tränen.
    »Ach, Stephan, du machst mich
so glücklich. Jetzt ist alles nicht mehr so schlimm.«
    Ich schwieg. Sie ließ meine
Hand los und streckte die Anne aus. Über der Vene in ihrer rechten Ellenbeuge
sah ich eine große Stichstelle.
    Die erste Transfusion.
    »Er ist genau so, wie du gesagt
hast. Genau so. Schlecht und gemein. Ich will ihn nicht mehr sehen.«
    »Sei nicht traurig«, sagte ich.
    Sie lachte mich an, fast so wie
früher.
    »Du, wenn ich raus bin, machen
wir es uns ganz schön. Es wird alles wie früher und noch viel schöner.«
    »Ich freue mich darauf«, sagte
ich.
    »Wir feiern wieder, wie zu
deinem Geburtstag. Mit Sekt und Blumen. Ich höre dir zu. Sagst du noch einmal,
was du damals gesagt hast?«
    »Ich sage es.«
    »Diesmal mache ich dir keinen
Kummer.«
    Ich lächelte in ihr bleiches
Gesicht. Ihre Tränen waren getrocknet. »Ich weiß von keinem Kummer«, sagte ich.
Sie freute sich.
    »Gibst du mir einen Kuß?«
    Ich beugte mich über sie. Ihre
Lippen waren kühl und trocken, ohne die Wärme des Blutes.
    Als ich wieder saß, öffnete
sich leise die Tür hinter uns. Die Schwester kam mit dem Abendbrot.
»Wiedersehen, Vera«, sagte ich. »Morgen komme ich. Jeden Tag, bis du gesund
bist.«
    Bis du tot bist.
    »Schlaf gut!«
    »Du auch«, sagte sie.
    Ich drückte ihre Hand, nickte
der Schwester zu undging.
    Auf dem Korridor strich ein
langer Mann in Weiß an mir vorbei. Ich rief hinter ihm her.
    »Verzeihung — sind Sie der
Stationsarzt?«
    Er verhielt und wandte sich um.
Sein Blick drückte seine Gedanken aus. Irgendein

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