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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Stadtplan von London und — last not least — zwei Pfund,
der Grundstein seiner Hoffnungen — weg.
    Er bemühte sich, seiner Miene
einen heiteren, gelassenen Ausdruck zu verleihen, als er die Hand hervorzog und
die andere in seine linke Brusttasche versenkte. Beides war erfolglos.
    Alastair erinnerte sich in
wenig zärtlicher Weise des kleinen, hastigen Herrn, mit dem er zusammengestoßen
war, als er sein neuerworbenes Vermögen in der Brieftasche deponiert hatte.
London wimmelte von Taschendieben. Hätte er dem Burschen nicht eine halbe
Stunde früher begegnen können? Dann hielt er jetzt statt der zwei Pfund
lediglich Mr. Maycocks nichtssagende Personalien in den Händen.
    Alastair beschloß in einem
jähen Anfall von Resignation, in die Themse zu springen und seinem nutz- und
bargeldlosen Dasein ein Ende zu bereiten — vorausgesetzt, daß die Kellner unter
Anleitung des Geschäftsführers ihm diese Arbeit nicht abnehmen würden.
    Das Räuspern des Obers
unterbrach seine finsteren Gedanken. Alastair begegnete seinem messerscharfen
Blick nicht ohne Unbehagen. Er vollführte einen letzten, vollständig
überflüssigen Griff in die Brusttasche, eher er einen Anlauf nahm.
    »Ach — hm — ich merke eben, daß
meine Brieftasche fehlt. Gestohlen. Tut mir wirklich leid — muß Ihnen meine
Adresse dalassen.«
    Die lahmste Erklärung, die je
auf Gottes Erdboden abgegeben wurde, dachte Alastair hoffnungslos. Die Leute
müßten irrsinnig sein, mir das zu glauben Adresse? Ha! In zwei Tagen würde er
nicht einmal mehr eine Adresse haben, wie er Mrs. O’Leary kannte.
    »Verzeihung, Sir.« Die Stimme
des Kellners triefte vor Hohn. »Was sagten Sie, bitte?«
    Du hast es ganz gut verstanden,
dachte Alastair. Du willst nur, daß ich es noch mal wiederhole, du Schurke.
    Zum ersten Male bemerkte
Alastair in dem Gesicht des Mädchens neben sich einen Anflug von Interesse.
Ihre hellen Augen streiften sein Gesicht, und ihre Nasenflügel zitterten leise.
Er hätte schwören können, daß sie sich innerlich vor Lachen schüttelte.
    Sie lacht mich aus, dachte
Alastair. Sie freut sich über mein Unglück. Sie hat kein Herz. Nie wieder werde
ich einen Gedanken an sie verschwenden.
    »Ich sagte, daß mir meine
Brieftasche gestohlen wurde«, wiederholte er gereizt. »Ich kann jetzt nicht
bezahlen — haben Sie verstanden?«
    »Natürlich, Sir.«
    Es klang wie: Wäre auch ein
wahres Wunder gewesen.
    »Sie erlauben, daß ich den
Geschäftsführer hole.«
    »Holen Sie ihn.«
    Jetzt vernahm Alastair ihre
Stimme zum erstenmal während dieser denkwürdigen Mahlzeit. Sie paßte zu ihr.
Klar, schön, voll verdeckter, vibrierender Energie.
    »Ich möchte zahlen.«
    »Sehr wohl, Mylady.«
    Einspruch zwecklos, dachte
Alastair. Sie möchte eben zahlen. Wundert mich, daß sie nicht zusehen will, wie
die Burschen mich zu Hackfleisch verarbeiten.
    Er stützte das Kinn auf die
gefalteten Hände und brütete vor sich hin. Am liebsten wäre er mit dem Sessel
versunken. In die Hölle seinetwegen. Nur fort von hier!
    Er bemerkte nicht, wie das
Mädchen zuerst mit dem Zeigefinger flüchtig auf ihn und dann auf den
Rechnungsblock wies, auf dem der Ober behende rechnete. Die Augen des Mannes
weiteten sich vor Erstaunen, aber der Blick zwang ihn, zu tun, was sie
verlangte.
    Alastair hörte das Klirren des
Wechselgeldes. Dann half der Kellner dem Mädchen in einen sündhaft teuren
Nerzmantel. Sie würdigte den Herrn keines Blickes, als sie den Tisch verließ.
    Alastair sah hinter ihr her.
Der Pelz wippte und schmeichelte um ihre Beine, und wieder vergaß Alastair
Hunger, Unglück und seinen Schwur von vorhin. Dann schlug die Flügeltür hinter
ihr zu. Alastair seufzte leise Der Kellner stand unbeweglich.
    »Worauf warten Sie noch?«
fragte Alastair wütend. »Weihnachten möchte ich eigentlich zu Hause feiern!«
    Der Kellner blieb starr, aber
Alastair spürte, daß er sich am liebsten auf ihn gestürzt hätte.
    »Ist erledigt.« Das »Sir« fiel
jetzt weg. »Die Dame hat Ihre Rechnung übernommen. Und nun darf ich Sie
bitten...«
    »Sie hat was?« brüllte Alastair
und sprang auf. Die Leute an den Nebentischen wandten die Köpfe. Mit
beträchtlicher Geschwindigkeit schoß Alastair zwischen den Tischen hindurch.
Einen beleibten Herrn rempelte er heftig. Der Portier musterte ihn mit drohend
vorgeschobenem Kinn, als er auf die Straße stürzte.
    Da, vier, fünf Meter vor ihm
fuhr ein silbergrauer Rolls mit scharfem Ruck an.
    AXP 512. Der Mann mit der
Panne!
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