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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Dann öffnete er lässig
die Tür. »Ev’ning, Sir.«
    Alastair nickte zerstreut und
herablassend, als hätte er seit seiner Geburt im Bristol gegessen und sich nur
zufällig hierher verirrt. In der Garderobe deponierte er seinen Mantel und
trennte sich von dem Shilling, der so treu bei ihm ausgehalten hatte. Dann
wusch er sich die Hände und betrat das Innere des Little Paris.
    Im matten, warmen Licht sah er
holzgetäfelte Wände, niedrige, runde Tische und bequeme Ledersessel. Mn Maycock
gewann den Eindruck, daß er nicht gerade das billigste Lokal Londons erwischt
hatte. Hinten, an der rückwärtigen Wand des langgestreckten Raumes bilde’ ten
ledergepolsterte Hocker vor der Bar einen freundlichen Halbkreis, und Alastair
sah das Glitzern auf zahllosen Flaschen. Sein Herz erwärmte sich. Links neben
der Bar bemerkte er die schwarze Fläche eines Flügels.
    Sein Blick wanderte über die
Tischreihen. Kein einziger Tisch war frei, überall saßen essende und flüsternde
Leute. Ein kerzengerader Kellner im Frack stand in achtungsvoller Entfernung,
verfolgte aber aus den Augenwinkeln jede seiner Bewegungen.
    Alastair Maycock versenkte
lässig seine Hand in der Tasche, als müsse er sein Scheckbuch festhalten, und
schlenderte langsam zwischen den Tischen durch. Kein Zweifel, alles besetzt.
Sollte er umkehren? Aber dann dachte er an den Shilling, für dessen Opferung
sein fadenscheiniger Trenchcoat bewacht wurde. Er würde umsonst gefallen sein.
Er betrachtete die Flaschen und den Flügel und wandte sich wieder um.
    Dann erstarrte er.
    Etwas abseits, an einem
einzelnen Tisch, der ein paar Schritte von dem Flügel entfernt stand, saß ein
Mädchen von überraschender, blendender Schönheit. Alastair sah kurzes schwarzes
Haar, das in einer weichen Welle über die Stirn fiel, zwei goldene Ohrclips und
das Oberteil eines raffiniert einfachen, schwarzen Kleides. Das Gesicht...
niemals hatte er etwas Süßeres gesehen.
    Mit erzwungener
Gleichgültigkeit zog er seinen Blick über sie hinweg und wieder durch den Raum,
während er fieberhaft überlegte. Der einzige Tisch, an dem zwei Stühle frei
waren. Und das schönste Mädchen der Welt. Sollte er...?
    Warum sollte er nicht?
    Wenn eine Lady allein dinierte,
konnte man sich auch an ihren Tisch setzen. Hatte man nicht vor einer Stunde
zwei Pfund verdient? Der Abend hatte gut angefangen, warum sollte er nicht noch
besser enden?
    Mr. Maycock hätte in größter
Eile das Lokal verlassen wenn er geahnt hätte, wie der Abend enden
sollte.
    So aber griff er flüchtig an
seine Krawatte, obwohl er sich schon hundertmal vorgenommen hatte, das nicht
mehr zu tun. Im nächsten Augenblick stand er vor dem Tisch und dem Mädchen.
    Unter langen, seidenweichen
Wimpern traf ihn ein Blick. Für eine Sekunde sah er in ein paar türkisfarbene
klare Augen, wie Sterne unter einem dunklen Himmel. Die Wimpern senkten sich
zustimmend, dann glitt der Blick achtlos von ihm ab. Alastair setzte sich und
versank bis zu den Achseln im weichen Leder.
    Ebenfalls in einer ledernen
Mappe ruhte die Speisekarte, und Alastair öffnete sie voller Ehrfurcht. Seine
Augen weiteten sich, heiliger Strohsack, was für Preise!
    »Einen Drink, Sir?«
    Lautlos war der Kellner neben
ihm aufgetaucht. Einen Drink? Was, zum Henker, sollte er trinken? Hunger hatte
er, blödsinnigen Hunger. Der Idiot sollte sich zum Teufel scheren...
    »Ah — ein Porter, bitte«,
näselte er. »Und — Gin, ja, einen Gin.«
    »Einfach oder double, Sir?«
    »Hm — einfach, bitte. Ich...«
    »Sehr wohl, Sir. Gordon oder
Willie, Sir?«
    Gordon oder...? Der Kerl schien
ihn für Rothschild persönlich zu halten. Alastair erinnerte sich, daß erkürzlich
in einem Schaufenster eine Flasche Gordon, mit einem sündhaften Preis ausgezeichnet,
gesehen hatte. Mit Willie würde es nicht viel anders sein. Hatte wohl wenig
Zweck, nach einer billigeren Sorte zu fragen.
    »Gordon.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    Wieder öffnete Alastair die
Karte. Es war äußerst schwierig, so zu tun, als studiere er sie mit größter
Aufmerksamkeit und dabei über den oberen Rand unauffällig das Mädchen zu
betrachten. Himmel, war die schön. Eine Sexbombe, dachte er. Die Männer würden
hinter ihr her sein, wie die Jagdhunde. Er schielte an den Vorspeisen vorbei
nach ihren Händen. Nur ein erbsengroßer Brillant, vierter Finger links. Kein
Ehering, weder rechts noch links. Armbanduhr am linken Handgelenk, breiter,
matter Goldreifen rechts. Lange, ovale Nägel, schlanke, geschmeidige

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