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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Hände. Man
hätte glauben können, Mr. Maycock lernte die Spalte mit den Vorspeisen
auswendig. In Wahrheit sah er überhaupt nichts davon.
    Das Mädchen schien weder ihren
Nachbarn noch seine Blicke zu bemerken. Es war, als säße er gar nicht am Tisch.
Noch nie war er sich so restlos übersehen vorgekommen.
    Sie ahnt, daß ich nur zwei
Pfund habe, dachte Alastair. Wahrscheinlich fingen bei ihr die Männer erst bei
hundert Pfund monatlich an. So war das heute.
    Der Kellner kam mit dem Porter
und Gordons weltbekanntem Gin. »Schon gewählt, Sir?«
    »Wie? Ach so — ja — hm...«
Verdammt, was sollte er nehmen?«
    »Sie haben Tartar?«
    »Vortreffliches Tartar.«
    »Bringen Sie Tartar. Den Rest
bestelle ich nachher.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    Sehr wohl, Sir. Der Bursche
wollte ihn ruinieren, das war es.
    Alastair schlug scheinbar
achtlos die Seiten der Karte um und rechnete blitzschnell. Vier Shilling das
Tartar, drei Shilling der Gin, zwei Shilling ein Sixpence das Porter. Mit
Aufschlägen ein Pfund, wenn er Glück hatte.
    Die Hälfte seines Vermögens!
    O ich vernageltes Rindvieh,
dachte er, wer hat mir bloß den wahnwitzigen Gedanken eingegeben,
hierherzugehen und die Steuern des Wirtes zu zahlen? Steak vom Grill zehn
Shilling! Würde wohl doch seine letzte Mahlzeit sein, das hier.
    Mr. Maycock kippte den
kostspieligen Gin hinunter und goß die Hälfte des Bieres nach. Er fühlte, wie
sich seine Magenwände erwärmten, und wie ein leichter Nebel durch seinen Kopf
zog. Das Hungergefühl ließ nach. Als der Kellner wortlos das Tartar servierte,
war Alastairs Entschluß gefaßt.
    »Schönen Dank. Genügt mir. Ist
ja unheimlich viel.«
    Die Feststellung schlug den
Tatsachen ins Gesicht, aber das war ihm gleichgültig. Diese Haifische sollten
sein letztes Geld nicht einstecken! Die nicht.
    Die unbewegliche Miene des
Kellners verriet nichts von seiner Verachtung für diesen Gast. Porter und Gin,
dazu ein Tatar! Wie in einer Hafenkneipe. Würde gut sein, den Herrn im Auge zu
behalten.
    Alastair ahnte nichts von den
finsteren Gedanken des Kellners. Sorgfältig mischte er das Beefsteak mit Eigelb
und Gewürzen, konnte aber dann doch nicht vermeiden, daß er etwas hastig aß.
Einen Eimer voll hätte er davon essen können. Na ja, nicht zu ändern. Zum
Teufel mit dem Pfund. Er hatte ja nur mit der Hälfte gerechnet, jetzt war es
soweit. Das Lokal war nett, und er hatte eine halbe Stunde mit einem
bildschönen Mädchen am Tisch sitzen dürfen — ein Pfund war viel zuwenig. Andere
hätten bestimmt mehr dafür gegeben. Und er selbst — ohne Bedenken hätte er sein
zweites Pfund geopfert für ein Wiedersehen mit ihr.
    Er lachte bitter in sich
hinein. Was zählte ein Mani1 ohne Geld? Nichts. Eine Null ist er, ein Schatten.
Das beste würde sein, so bald wie möglich wieder zu verschwinden.
    Das Mädchen sah zur Uhr.
Wahrscheinlich erwartete sie jemanden. Bin neugierig auf den Burschen, dachte
Alastair. Möchte wissen, wie er aussieht. Hoffentlich kommt er noch, bevor ich
gehe!
    Aber es kam niemand. Mr.
Maycocks Bier ging zu Ende, und der Kellner registrierte voll Hohn, daß kein
weiteres bestellt wurde. Alastair lehnte sich weit zurück und schielte unter
den Tisch, um zum Abschied noch etwas von den Beinen des Mädchens zu sehen. Dem
Ansatz nach mußten sie ungewöhnlich gut geformt sein. Wenn sie ‘nur aufstehen
würde! Aber sie tat es nicht. Lässig und uninteressiert lehnte sie im Sessel.
Alastair hatte plötzlich den Eindruck, daß ihr schlanker Körper sich
schlagartig spannen könnte wie eine Stahlfeder. Mußte kein Vergnügen sein, mit
ihr Streit zu kriegen.
    Er entschloß sich zum Aufbruch.
Was sollte er noch hier? Für ihn würde niemand kommen. Er sah zur Uhr. Halb
acht. Zeit, daß er nach Hause kam. Fahr wohl, schönes Kind, dachte er wehmütig.
Meinen Hunger hast du vertrieben und meine Sehnsucht geweckt. Wenn du wüßtest,
was ich dir sagen möchte, du würdest mich bestimmt anhören. Aber ich darf’s
nicht sagen. Leb wohl.
    Er winkte dem Kellner, der wie
eine Bildsäule vor der bar stand. »Rechnung, bitte!«
    Beflissen malte der Kellner
seine Zahlen, obwohl er die Summe längst im Kopf hatte. Ein energischer
Schlußstrich, und das Papier mit der Aufschrift Little Paris Endete vor
Alastair. Er griff in die Brusttasche. Seine Fingerspitzen stießen ins Leere,
und ein eisiger Schreck durchfuhr ihn.
    Alastair fühlte, wie er
erbleichte.
    Die Brieftasche!
    Weg war sie. Ausweis, Bild der
Eltern im Silberhaar,

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