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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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der traurig den Kopf schüttelte. »Ich habe alles gehört, Anton.«
    »Und?«
    »Solange du die Leiche nicht gesehen hast, solltest du es mit der Beerdigung nicht eilig haben.«
    Foma Lermont lebte in einem Vorort. In einem ruhigen und teuren Bezirk voller gemütlicher Cottages und gepflegter kleiner Gärten. Er empfing uns dann auch gleich im Garten. Der Chef der Edinburgher Nachtwache saß in einer efeuumrankten Holzlaube und legte auf einem zerkratzten Zeitungstisch Patiencen. In weichen grauen Hosen und einem Polohemd sah er wie ein friedliebender Bürger aus, der kurz vor der Rente stand. Noch ein Schock Enkelkinder um ihn herum – und fertig wäre der Seniorvorstand einer Großfamilie. Bei unserem Erscheinen erhob sich Lermont höflich, um Semjon und mich zu begrüßen. »Die geht sowieso nicht auf …«, murmelte er, nachdem er die Karten zu einem Haufen zusammengeschoben hatte.
    »Foma, ich glaube, wir sollten jetzt offen miteinander reden.« Ich schielte zu Semjon hinüber. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn mein Kollege dabei ist?«
    »Nein. Geser hat sich für ihn verbürgt.«
    »Heute hat mich Sebulon von der Moskauer Tagwache angerufen, Foma.«
    »Ich weiß, wer Sebulon ist.«
    »Er hat gesagt … er hat mich gebeten, Sie zu fragen … wann Sie das letzte Mal Ihren Grabnachbarn besucht haben.«
    »Heute Nacht«, gab Lermont leise Auskunft.
    »Und Geser … hat mich nach einer Rune gefragt. Der Rune Merlins.«
    »Die Rune ist nicht im Grab«, erwiderte Lermont. Dann richtete er den Blick auf Semjon. »Was weißt du über Merlin?«, fragte er.
    »Er war ein Magier.« Semjon kratzte sich den Nacken. »Ein Großer Lichter Magier. Vor sehr langer Zeit.«
    Dann sah Lermont wieder mich an. »Und du?«, wollte er wissen.
    »Ich habe gedacht, Merlin sei eine mythologische Figur«, gab ich offen zu.
    »In gewisser Weise habt ihr beide recht.« Lermont lächelte. »Der Große Lichte Magier Merlin ist in der Tat eine mythologische Figur. Der echte Merlin war … weniger angenehm. Sicher, er hat dem kleinen Artus geholfen, das Schwert aus dem Stein zu ziehen und König zu werden. Obwohl … unter uns gesagt … Artus überhaupt keinen Anspruch auf den Thron hatte. Merlin war kein ausgemachter Schurke. Er setzte seine Ziele einfach nur mit allen Mitteln durch. Ist es nötig, einen König auf den Thron zu heben, der uns ergeben ist? Dann tun wir das. Soll der König von seinen Untergebenen geehrt und geliebt werden? Natürlich – wozu sollten wir uns unnütze Probleme schaffen! Erziehen wir den König zu einem edlen und erhabenen Menschen. Gestatten wir dem König seine eigenen, seine königlichen Spielereien … eine prächtige Tafelrunde und kühne Ritter. Aber wisst ihr auch, dass Artus’ Tod durch die Hand eines Kindes, das an einem bestimmten Tag geboren worden war, bereits vor der Geburt Mordreds vorausgesagt worden war? Und wisst ihr, was der edle Artus getan hat?«
    »Darüber will ich lieber nicht nachdenken.«
    Lermont lachte auf. »Dann ließ König Artus nach allen Kindern schicken, die um den ersten Mai geboren, von Herren gezeugt und von Damen zur Welt gebracht worden waren; denn Merlin hatte ihm gesagt, derjenige, der ihn vernichten würde, wäre am ersten Mai geboren. Deshalb ließ Artus sie alle kommen, bei Strafe des Todes. Und so wurden viele Söhne von Herren ausfindig gemacht und zum König geschickt, auch Mordred, der Sohn von König Lots Weib, und alle Kinder wurden auf ein Schiff gebracht, einige vier Wochen alt, andere noch jünger. Und es geschah, dass das Schiff auf ein Riff lief und in Stücke zerschellte. Fast alle kamen ums Leben, nur Mordred wurde an Land gespült, wo ihn ein braver Mann fand, der ihn aufzog, bis er vierzehn Jahre alt war, und ihn dann an den Hof brachte«, zitierte er. »So wird es am Ende des ersten Buchs über König Artus berichtet«, erklärte er. »Weiter heißt es dann: So waren viele Herren und Barone dieses Reiches erzürnt, denn sie hatten ihre Kinder verloren, und viele gaben mehr noch als Artus Merlin die Schuld, doch aus Furcht oder Liebe hielten sie Frieden.«
    »Ein würdiger Erneuerer der Sache von König Herodes«, brummte Semjon.
    Ich schwieg. Der Zeichentrickfilm fiel mir ein, den Nadjuschka so liebte. Über den jungen König Artus. Über den lustigen und komischen Zauberer Merlin. Ich malte mir eine Fortsetzung dieses Films aus: Wie der erwachsene Artus, von Merlin aufgehetzt, befiehlt, auf ein altes, nicht mehr seetüchtiges Schiff die

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