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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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sich ertappt. Er bockte das Motorrad auf. Dann trat er einen Schritt auf seine Exfreundin zu. » Hallo, Laura«, gelang es ihm zu sagen.
    » Hallo, Faris.«
    Immerhin schrie sie ihn nicht sofort an. Ihre Blicke tasteten sekundenlang sein Gesicht ab, registrierten das Pflaster an seiner Stirn, die aufgeplatzte Lippe. Kurz huschte Sorge über ihre Züge, wurde jedoch gleich darauf von kühler Zurückhaltung ersetzt. Endlich entließ sie ihn aus ihrem Fokus und schaute auf das Kind hinunter. » Lilly, sag hallo zu Faris.«
    Der Name schnitt Faris durch das Herz wie ein Messer.
    » Hallo!«, sagte das Kind. Es wirkte verunsichert– offenbar spürte es die Spannung, die zwischen seiner Mutter und diesem fremden, dunkelhaarigen Mann herrschte.
    Faris nickte der Kleinen zu. » Hallo, Lilly.« Er verbiss sich jedes weitere Wort, weil er nicht giftig klingen wollte. Was hätte er auch sagen sollen? Du hast dich ja recht behaglich in deinem neuen Leben eingerichtet. Wie konntest du das Kind nur Lilly nennen?
    Komm zu mir zurück!
    Er zuckte zusammen. Hatte er das Letzte etwa laut ausgesprochen? Offenbar nicht, denn Laura lächelte jetzt. Es sah befangen aus, aber nicht wütend. » Was willst du hier?«, fragte sie.
    Er sah Lilly an. Bevor er Laura von der Explosion in der U-Bahn erzählen konnte, presste er die Lippen aufeinander. Einer der Gründe, warum sie ihn verlassen hatte, war, dass sie es nicht mehr ausgehalten hatte, ständig Angst um ihn zu haben. » Nichts. Ich war nur zufällig in der Gegend.«
    Aus ihren hellblauen Augen sah sie ihn an. Von wegen!, las er in ihrem Blick, doch zu seiner Erleichterung schwieg sie. Ihr T-Shirt passte tatsächlich gut zur Farbe ihrer Iris.
    » Uns geht es gut, Faris«, murmelte sie nach einiger Zeit, und er begriff, dass sie zwei Worte verschluckt hatte.
    Ohne dich.
    Er nickte. Trat den Rückzug an. » Klar. Ich wollte dich nicht belästigen.«
    Da lächelte sie erneut, und diesmal wurden Faris’ Knie weich.
    » Tust du nicht.« Sie schaute auf sein Handgelenk. » Du trägst immer noch das Armband«, sagte sie.
    Faris stopfte die Hände in die hinteren Hosentaschen seiner Jeans. » Ich glaube, ich gehe dann mal besser.«
    Laura nickte nur.
    Mit linkischen Bewegungen stieg Faris auf das Motorrad. Ihm war bewusst, dass der Blick des Kindes genauso ernst auf ihm ruhte wie der von Laura. Mit einem gezwungenen Lächeln nickte er Lilly zu. » Macht’s gut!«
    Laura schwieg.
    Faris startete die Maschine.
    ***
    Ärgerlich warf Richard Westphal einen Blick auf seine Armbanduhr. Schon halb fünf durch! Das Meeting hatte wieder einmal länger gedauert, als er geplant hatte, und dementsprechend in Eile war er nun. Er hastete um die Ecke und bog auf den Ku’damm ein, um so schnell wie möglich die nächste U-Bahn-Station zu erreichen. Im nächsten Moment geriet er mitten in eine Gruppe von Männern und Frauen, die allesamt die bunten Schals des Kirchentags trugen. Sie sangen irgendein dämliches Kirchenlied. Gerade noch gelang es Westphal zu stoppen, sonst wäre er einem der Männer in die Hacken gerannt.
    » Herrgott nochmal!«, fluchte er.
    Der Passant drehte sich zu ihm um. Er war um die fünfzig, sein Vollbart hatte mehr graue als braune Haare.
    » Singen Sie mit uns!«, forderte er Westphal freundlich auf.
    Der glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. » Gehen Sie doch aus dem Weg, Mensch!«, herrschte er.
    Der Bärtige hob nur fragend die Augenbrauen. Die Blicke der anderen Gruppenmitglieder richteten sich jetzt auf Westphal, aber trotz der Neugier, die aus ihren Augen leuchtete, sangen diese Menschen einfach stur weiter. Westphal unterdrückte einen Fluch. Er machte einen Schritt zur Seite, doch es nützte ihm nichts. Die Gruppe versperrte den gesamten Gehweg.
    » Zum Donnerwetter!«, blaffte er.
    Eine der Frauen verstummte. » Sie tun sich keinen Gefallen, wenn Sie immer nur von Termin zu Termin hetzen«, sagte sie.
    Westphal starrte auf ihre spießige Dauerwelle. » Was geht es Sie an?« Er umfasste seine Aktentasche fester, schob eine Schulter vor und drängte sich einfach mitten durch die Gruppe hindurch.
    Rechts und links von ihm erstarb nun nach und nach auch der Gesang der anderen Kirchentagsbesucher.
    » Also so was!«, hörte Westphal jemanden empört murmeln.
    Er kümmerte sich nicht darum. Er hob das Kinn und setzte seinen Weg fort. Seine Laune sank noch ein beträchtliches Stück mehr, als hinter ihm unverdrossen dieser dämliche Gesang wieder einsetzte.
    Wenn es nach ihm

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