41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
gelangweilt sehnte er das Ende dieser schmeichlerischen Konversation herbei.
Zurück im Polizeiwagen schwieg er auf der ganzen Fahrt bis zum Haus 41 Rue Loubert. Auch Louise war nicht nach höflichem Smalltalk zumute. Sie war mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.
Nun also war es so weit. Sie war zu einem Teil der Ermittlungen geworden.
Das wunderte sie nicht, denn sie hatte jeden einzelnen der achtzehn Männer auf den Fotos gut gekannt.
Hendrik van de Poort
Hendrik hatte eine unruhige Nacht verbracht. Der Gedanke an den Hass in Louises Augen hatte ihn nicht mehr losgelassen. Er zerbrach sich den Kopf, was Luc wohl getan haben könnte, um sie so zu erzürnen. Es fiel ihm nichts Gravierendes ein. Luc konnte manchmal sehr überschwänglich sein in seinem Bedürfnis nach körperlicher Nähe und Hendrik wusste, dass Louise dies nicht mochte und auch nicht duldete. Aber konnte es ein Grund dafür sein, sie dermaßen aus der Fassung zu bringen? Zu allem Überfluss war auch Luc unruhig und wimmerte einige Male laut und durchdringend im Schlaf. Das hatte er seit Jahren nicht mehr getan und Hendrik war besorgt an sein Bett geeilt, hatte ihn in seinen Armen gewiegt und ihm beruhigende Worte zugeflüstert, bis er wieder eingeschlafen war. Als der Morgen bereits anbrach und die ersten Vögel ihre munteren Gesänge anstimmten, war Hendrik endlich eingeschlafen. Gegen acht Uhr stand er auf, füllte die Kaffeemaschine und ging in Lucs Zimmer, um ihn zu wecken und für den Tag bereit zu machen. Als er die mit bunten Postkarten aus aller Welt verzierte Türe öffnete, schlug ihm beißender Uringestank entgegen. Dazu mengte sich der saure Geruch von Erbrochenem. Erschrocken hielt Hendrik die Luft an und näherte sich vorsichtig dem überdimensionalen Kinderbett. Er entriegelte die Halterungen der Gitterstäbe, die rund um das Bett angebracht waren, um seinen Sohn zu betrachten. Dieser lag friedlich schlafend (und zum Glück regelmäßig atmend) mit seinem Kopf in einem halbverdauten, biergeschwängerten Popcornbrei. Die Decke hatte er sich um die Füße gewickelt, seine Pyjamahose war bis zu den Knien dunkel verfärbt von Nässe. Hendrik seufzte erleichtert auf. Er fühlte, wie sein Herz wieder ruhiger schlug, wie das Zittern in seinen Händen nachließ, das Dröhnen in seinem Kopf leiser wurde und diese kalte Angst vor dem Unaussprechlichen langsam von ihm wich. Er lief in das Badezimmer und ließ heißes Wasser in die Wanne laufen. Dazu gab er ein Pfirsichschaumbad aus der Babypflegeserie, das nicht in den Augen brannte und auch nicht gefährlich war, falls man davon trank. Luc kostete liebend gerne von seinem Badewasser. Zurück in Lucs Zimmer bemerkte er, wie er außer Atem und völlig erschöpft war.
„Ich bin zu alt für ihn“, dachte er resigniert und müde.
Luc war durch Hendriks Hantieren aufgewacht und hatte sich aufgesetzt. Er tapste begeistert mit seinen Händen in dem Popcornbrei und versuchte, sich die Finger in den Mund zu stecken. Als er Hendrik sah, lächelte er.
„Lass das, Luc! Mein Gott, bin ich froh, dass es dir gut geht! Wir müssen dich umziehen und ordentlich baden! Deine Haare sind ja ganz verklebt! Ich hab dir wohl gestern zu viel Bier gegeben! Wie leid mir das tut! Komm jetzt, ab ins Bad!“
Während Hendrik ununterbrochen auf Luc einredete, krabbelte dieser umständlich aus dem Bett und machte sich auf den Weg ins Bad. Beim Anblick der Schaumberge auf dem Wasser jauchzte er vergnügt. Hendrik prüfte die Wassertemperatur, half Luc in die Wanne und begann, Lucs Bett zu säubern, nicht ohne dabei immer wieder einen prüfenden Blick durch die geöffnete Badezimmertüre auf seinen Sohn zu werfen.
Es war nicht das Bier gewesen. Auch nicht das Popcorn. Luc war auch nicht krank. Da war sich Hendrik ganz sicher. Luc war erregt gewesen, hatte im Schlaf gejammert, sich erbrochen und eingenässt. Hendrik nahm sich vor, Louise aufzusuchen und um Rat zu fragen.
Gegen neun Uhr kam Rosa, eine Sprachtherapeutin des Sozialdienstes für Behinderte. Als sie sah, in welchem Dilemma Hendrik steckte, half sie ihm mit dem Frühstück und der Wäsche, kleidete Luc an und erklärte sich bereit, länger zu bleiben, damit sich Hendrik unbesorgt auf den Weg zu Louise machen konnte.
Möglich, dass Louise gestern ebenfalls irgendeine Veränderung an Luc aufgefallen war und sie deshalb so erbost war. Möglich aber auch, dass sie erbost und Luc deshalb so verändert war.
Louise
Der Ermittlungsleiter ließ den Wagen
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