41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
langsam vor dem Haus Nummer 41 ausrollen.
Louise sah ihn fragend an: „Wenn Sie möchten, kann ich versuchen, Marta und Alette zu überreden, gleich mit Ihnen mitzukommen. Sie würden sich eine Fahrt und einen neuerlichen Termin ersparen.“
„Vielen Dank, Madame, das ist sehr entgegenkommend von Ihnen. Ich nehme das Angebot gerne an.“
„Gut. Lassen Sie den Wagen hier stehen und erfrischen Sie sich in der Bar dort drüben. Es kann ein paar Minuten dauern, bis beide fertig sind.“
Er nickte zustimmend und dachte, dass er sich noch nie von einer Nutte hatte sagen lassen, was er zu tun hatte. Aber Louise war keine gewöhnliche Nutte, sie strahlte kühlen Stolz und noch kühlere Autorität aus. Man kam niemals auf die Idee, abfällig über sie zu reden. Nicht einmal unter Kollegen auf dem Revier. Außerdem hatten weder ihre Erscheinung noch ihr Verhalten etwas Vulgäres an sich. Sie hatte sich für ihre annähernd sechzig Jahre gut gehalten, sprach gewählt, war nie betrunken und hatte seit er sie kannte kein einziges Mal Probleme mit einem Freier gemeldet. Daher fand er es auch ganz in Ordnung, in der Bar gegenüber dem Bistro einen kurzen Espresso zu nehmen und dabei das Geschehen im Auge zu behalten.
Louise betrat das Bistro, in dem Marta schon nervös auf sie wartete. Sie hatte eine schmutzige Küchenschürze über ihr geblümtes Kleid gezogen, das wieder einmal mindestens um zwei Nummern zu klein war und daher äußerst unvorteilhaft wirkte. Ihre blonden kurzen Haare kräuselten sich über ihrer verschwitzten Stirn, das traurige Ergebnis einer billigen Heim-Dauerwelle. Unter himmelblau verschmierten Lidern starrte sie Louise aufgebracht an:
„Louise! Was ist los? Wo haben sie dich hingebracht? Wo warst du? Was wollen sie?“
„Marta, reg dich doch nicht so auf! Es ist alles in bester Ordnung! Sie haben mir nur Fotos von den vermissten Männern gezeigt. Sie wollten wissen, ob ich jemanden erkenne, da einige von ihnen in dieser Gegend gesehen wurden. Ich habe nur einen erkannt. Jean, er hat die Nummer 11 in der roten Mappe. 11, hörst du? Ich möchte, dass du zusammen mit Alette jetzt mit dem Ermittlungsleiter mitfährst und dir auch die Fotos ansiehst.“
Martas Augen begannen zu glänzen und sie kaute an ihrem Daumen herum. Der rosafarbene Nagellack war bereits unansehnlich abgeblättert.
„Bist du verrückt? Ich fahre doch nicht mit zur Polizei! Was soll ich da? Ich kenne bestimmt auch keinen außer Jean! Und warum ist überhaupt Jean auf den Fotos? Das ist doch völlig sinnlos! Was ist, wenn die mir Fragen stellen? Was ist, wenn das mein Mann erfährt?“ Sie steigerte sich in hektische Panik, ihr Gesicht war gerötet, kleine Schweißperlen standen auf ihrer faltigen Oberlippe. Der Lippenstift war schon vor Jahren zerronnen.
„Wenn du dir die Fotos jetzt gleich ansiehst, bist du in einer halben Stunde wieder hier. Wenn nicht, werden sie dich morgen abholen. Notfalls auch von zu Hause, mit deinem Mann. Und sie werden sich natürlich fragen, warum du dich heute geweigert hast.“
„Ich hab doch nichts verbrochen! Ich möchte nicht zur Polizei! Bitte, Louise, ich ….“
„Hör jetzt endlich auf mit dem hysterischen Gejammer! Geh nach hinten, kämm dir die Haare und benutze deinen Lippenstift! Aber sorgfältig! In fünf Minuten stehst du draußen bereit. Ist das klar?“
Marta weinte nun, war aber wegen des schroffen Tonfalls, den Louise anschlug, auch sehr verängstigt. So erlebte man Louise selten und nur, wenn sie wirklich sehr verärgert war.
„In Ordnung. Wenn du meinst …“
„Ja, das meine ich. Beeil dich, ich hole inzwischen Alette.“
Louise verließ das Bistro, ging die fünf Schritte bis zu ihrem Tor, gab den Code ein und verschwand im Inneren.
Alettes großes 3-Zimmer-Appartement lag ebenerdig gleich neben dem von Marta. Die geräumige Wohnung des Hausmeisterehepaars sowie der kleinere Heizungsraum mit der Steuerung für die Videoüberwachung lagen ebenfalls auf dieser Ebene, gingen jedoch in Richtung des Hinterhofs.
Louise klingelte an Alettes Tür. Alette öffnete, wie immer in bauchfreiem Bustier mit Shorts, alles in Schwarz und barfuß. Die streichholzkurzen, ebenfalls schwarzen Haare standen nach allen Windrichtungen ab, an den Armen klirrten unzählige bunte Reifen. Ebenso an den Knöcheln. Sie war ausnehmend hübsch, beinahe 40 und Louise beneidete sie nicht nur um Alter und Figur, sondern noch viel mehr um ihr fröhliches, doch keineswegs naives Wesen. Alette war
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