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43 Gruende, warum es AUS ist

Titel: 43 Gruende, warum es AUS ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Handler , Maira Kalman
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musste, und deshalb ist es aus.

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    Und mein Regenschirm, den ich an dem Tag verloren habe, wo ist der? Ich weiß, dass ich ihn morgens noch hatte. Wenn du ihn hast, Ed, gib ihn mir zurück. Ohne ihn bin ich an Regentagen verloren, obwohl – jetzt haben wir Dezember, da könnte es eher schneien, und bei Schneesturm ist ein Regenschirm einfach lächerlich, so wie ein Sicherheitsgurt, wenn man nicht im Auto sitzt, wie ein Helm, wenn man nicht Rad fährt, wie ein Fisch ohne Fahrrad oder wie dieser Spruch heißt, wie die Behauptung, dass Kaffee schwarz sein muss oder dass eine Jungfrau einen Freund braucht. So vieles, was ich nie zurückbekommen werde.

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    Inzwischen fragst du dich bestimmt, wie lange man eigentlich brauchen kann bis zu eurem Haus. Steuert Al den Lieferwagen vom Geschäft seines Vaters etwa bis nach Bolivien und zurück? So viele Seiten auf einer ganz normalen Fahrt, selbst bei starkem Verkehr? Die Antwort, Ed, lautet: Leopardi . Ich hab dich nie dahin mitgenommen, in mein allerliebstes Lieblingskaffee, das allerbeste, ein halb zerfallener italienischer Palast mit leuchtend roten Wänden, von denen die Farbe abblättert, mit schief und krumm aufgehängten Fotos dunkelhäutiger Männer mit pomadierter Haartolle, die ihre Geliebten wohlwollend angrinsen, mit einer Espressomaschine wie das schimmernde Schloss eines verrückten Wissenschaftlers, blitzblank und mit diversen Ausläufen, die erst nach unten und dann nach vorn gebogen sind, und einem kuppelförmigen Aufbau aus Metall, auf dem ein streng dreinschauender Messingadler hockt, so als hielte er auf seinem Horst Ausschau nach Beute. Diese ganze Maschine mit all ihren Schaltern und Dampfventilen sowie einem Stapel weißer quadratischer Tücher, mit denen die Angestellten höchst geschickt hantieren, ist nötig, um winzig kleine Tässchen Kaffee zu produzieren, der so dunkel und gehaltvoll ist wie die ersten drei Filme von Malero, in denen die Welt rechtwinklig und blinkend dargestellt wird. O Mann, wie ich diesen Kaffee liebe! Jetzt noch Extramilch und dreimal Zucker, dann kommt der Adler heruntergeflogen und reißt mir mit den Klauen den Hals auf, bevor ich auch nur einen Schluck getrunken habe. Aber weißt du was, Ed? Das ist es noch nicht, was den Zauber dieses Ortes ausmacht, den Charme des Leopardi , den ich empfinde, seit Al mich das erste Mal mit hierhergenommen hat. Wir waren in der Achten, und seine Cousine jobbte hier. Es ist die absolute Stille in diesem hohen Raum, meditatives Nachdenken wird von nichts anderem unterbrochen als von gewaltigen zischenden Dampfwolken und dem Klimpern der Münzen auf der Theke. Sie lassen dich da völlig in Ruhe, sie lassen dich leise reden oder lachen oder lesen oder diskutieren oder so, wo immer du dich hinsetzt. Sie räumen nicht den Tisch ab, solange du da sitzt, sie räuspern sich nicht vernehmlich, sie sagen kein Wort zu dir außer prego, bitte schön, wenn du selbst grazie sagst. Sie merken nichts – oder tun so –, wenn du gerade den letzten Schluck Kaffee geleert hast und auf einmal die Tasse auf den Tisch knallst, weil du gerade an irgendwas denken musstest, was dein Exfreund getan hat. Selbst wenn die Untertasse dabei zerspringt, sagen sie nichts. Bei Leopardi denken sie sich, du wirst schon Sorgen genug haben. Das könnten sie mal meiner Mutter beibringen, allen Müttern dieser Welt, wie man Menschen in Ruhe lässt. An einen besseren Ort hätte Al mich gar nicht bringen können, als wir eurem Haus immer näher kamen und dieser Brief noch längst nicht fertig war. Er hat den Karton hier hereingeschleppt, und keiner der Leopardi -Kellner mit ihren perfekt gestutzten Schnurrbärten und den langen Schürzen hat ein Wort darüber verloren, dass der große Karton auf dem Nebentisch stand, oder darüber, wie lange ich jetzt schon hier sitze und dir schreibe.
    Das hier ist die Flasche mit dem Pensieri. Ich hab dir nie von Leopardi erzählt und auch nie davon, wie das war an dem Abend, als ich den Pensieri besorgt habe, nur diese eine Flasche, während du deine – ha! – diese Familiensache hattest. Ich hab’s dir nie erzählt, und du hast mich auch nie danach gefragt. Es gibt viel, was ich dir nie erzählt habe, Ed. Lass mich wenigstens etwas davon nachholen.
    Es war später Nachmittag, genug Tee, genug Mom, als ich endlich den Boris-Vian-Park von mir

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