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43 Gruende, warum es AUS ist

Titel: 43 Gruende, warum es AUS ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Handler , Maira Kalman
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schmutzigen Tellern und irgendwelchem Mist. Aus dem Radio leise Stimmen, die Rollos noch unten, starker Schweißgeruch im Raum, der vor allem eklig war, aber nicht – was ist denn bloß los mit mir? – nicht nur eklig, nein.
    Wie hingegossen hast du im Bett gelegen, zuerst habe ich geglaubt, das sei ein Scherz, du würdest dich einfach schlafend stellen, das Handtuch, in das du dich gewickelt hattest, war ein Stück hinuntergerutscht, dein Bein war angewinkelt, und ein Arm lag über deinem Gesicht, so als wolltest du ein Lächeln verbergen. Aber dann hast du angefangen zu schnarchen, wie niemand es könnte, der nicht wirklich schläft, und ich blieb einfach in der Tür stehen und sah dir beim Schlafen zu. Ich wartete, nur um dich so friedlich zu sehen, ich wäre so gern bei dir geblieben, um dich langsam aufzuwecken oder auch plötzlich zu erschrecken oder ewig lange neben dir zu schlafen oder ewig lange zu schlafen, während du schon wach bist und mich anschaust, egal, irgendwas mit ewig jedenfalls. Ich wollte dich küssen, dir durchs Haar wuscheln, mit drei Fingerspitzen über deine warme, glatte Hüfte gleiten, dich damit aufwecken oder dich sanft säuselnd dazu bringen, wieder einzuschlafen. Dich nackt sehen, so ganz entspannt, eine Decke über dich breiten – es gibt nicht genug Tinte und Papier, um all das aufzuschreiben, was ich gern mit dir getan hätte. Aber ich konnte nicht lange bleiben, also ging ich wieder hinunter zu Joan, die mit einem freundlichen Lächeln auf mich wartete. »Er schläft«, sagte ich.
    Â»Du hast ihn müde gemacht mit deinen Abenteuern«, sagte sie, während sie mir den Zuckerstreuer und Bücher reichte. »Bis bald, Min.«
    Â»Ich konnte ihm jetzt keinen Zettel oder so hinlegen«, sagte ich.
    Â»Umso besser«, sagte sie mit einem leisen Schnauben. »Er hasst lesen.«
    Â»Aber sag ihm, er soll mich anrufen.«
    Â»Mach ich.«
    Â»Den Zucker kannst du behalten.«
    Â»Nein, Min, nimm ihn mit. Sonst nehme ich ihn noch zum Backen, und du musst neuen klauen und landest noch in dem großen Haus. Und das ist dann alles meine Schuld.«
    Darüber musste ich schmunzeln – in dem großen Haus. »Aber du würdest mir helfen auszubrechen, stimmt’s? Du würdest Ed noch mal das Auto leihen, um mich rauszuholen. Oh, halt, meine Jacke ist noch im Auto.«
    Wir gingen zusammen hinaus in den Nieselregen, und sie hat aufgeschlossen und mir die Jacke gereicht. Jetzt stand ich da, weit von zu Hause, mit einem Haufen Zeug auf dem Arm und niemandem, der mir tragen helfen konnte. »Bis dann, Min.«
    Â»Tschüss«, sagte ich. Es war ein seltsames Gefühl, so bepackt im Regen zu stehen, während Joan schon eilig zur Küchentür zurücklief. »Danke für das Buch«, rief ich ihr nach. Aber was ich eigentlich sagen wollte, aus irgendeinem Grund, war: Entschuldigung.
    Sie schloss die Tür hinter sich. Kurz darauf saß ich allein im Bus, all meine Habseligkeiten lagen auf dem Platz neben mir, so als wären sie mein ganzer Besitz. Das Kochbuch hatte jetzt, wo ich es mir allein ansah, nicht mehr diesen Charme, jetzt sah es vor allem teuer aus. In meiner Hand entdeckte ich, zusammengeknüllt, das Geschirrtuch, auf dem das Öl der Zwiebelringe dauerhafte Kreise hinterlassen hatte. Statt es beim nächsten Besuch Joan zurückzugeben, habe ich es behalten, weil – ich weiß selber nicht. Ich sehe sie noch vor mir, diese Dinger, die sie gemacht hat, während sie auf ihren Bruder wartete, jeder einzelne dieser Ringe knusprig, unverbrannt – machbar eben. Ihr stilvolles Leben, ihre Art, für die Menschen in ihrem Haus zu sorgen. Die Spuren auf dem Geschirrtuch, die ich auf dem ganzen Weg nach Hause anstarrte, wo ich ruhig und ausnahmsweise friedlich mit meiner Mutter bei Tee (Earl Grey) und Toast zusammensaß. Am liebsten hätte ich ein bisschen geweint, als ich das Tuch zusammenfaltete, um es in den Karton zu tun. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob diese Ringe wie ein weit offener, lachender Mund aussahen, wie ein leuchtender Mond, wie eine aufsteigende Seifenblase oder, wie es mir jetzt vorkommt, wie lauter Nullen in einem Rechteck, geschrieben mit unsichtbarer Küchentinte. Ich dachte, es sei das eine, doch es war das andere, es war null null null, als ich da allein im Bus saß, während du schlafend in deinem Zimmer lagst, das ich verlassen

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