43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
genügt. Ich werde leider morgen Paris wieder verlassen, um nach Lyon zu gehen.“
Der Wirt entfernte sich, und als Alfonzo sich allein sah, schritt er erzürnt im Zimmer auf und ab. Er war Sternau gefolgt, um ihn zu erreichen und zu verderben, und sah ihn nun doch nach Deutschland entkommen.
„Aber er ist noch nicht gerettet! Nein, nein! Von uns beiden kann nur einer bestehen, denn er weiß bereits zu viel. Er muß fallen. Ich reise ihm nach Deutschland nach!“
Er grübelte eine Zeitlang und murmelte:
„Ja, ich reise ihm nach. Ich kann ihm getrost begegnen, ich kann mich von ihm sehen lassen, er wird mich nicht erkennen. Und diesen Diener, der von meiner Maske weiß? Pah, den werde ich bald loswerden; den führe ich an der Nase bis nach – ja, bis wohin denn? Bis nach Rouen. Von ihm darf ich mir nicht in die Karten sehen lassen.“
Er klingelte, und der Diener erschien.
„Warst du bereits einmal in Rouen?“ fragte er ihn.
„Einmal“, antwortete derselbe.
„Welches ist dort das beste Hotel?“
„Das Hotel zu den ‚Drei Kronen‘.“
„Wo liegt es?“
„Ganz in der Nähe der Kirche St. Quentin.“
„Es erwartet mich ein kleines Abenteuer dort. Ich muß morgen dort sein, muß aber sofort bei meiner Ankunft wissen, ob eine Gräfin Rossey sich in einem der dortigen Hotels befindet.“
„Soll ich vorausreisen und mich erkundigen?“
„Allerdings muß ich dir diesen Auftrag erteilen. Du magst mit dem ersten Mittagszug reisen und mich im Hotel zu den ‚Drei Kronen‘ erwarten.“
„Soll ich dort Zimmer bestellen?“
„Nein, denn ich weiß nicht vorher, ob ich wirklich dort bleibe.“
Das war nur eine Finte, den Diener loszuwerden. Er gab ihm darauf das nötige Reisegeld und ließ ihn ohne Gewissensbisse per Bahn nach Rouen reisen.
Nun erst hielt er sich in seiner Verkleidung für sicher. Als er des Nachmittags spazierenging, bemerkte er nicht, daß eine Person ihm stets von weitem folgte. Es war Gerard Mason, der Schmied, der es sich wirklich zur Aufgabe gemacht hatte, ihm seine Barschaft abzunehmen.
Alfonzo begab sich später in das Theater, nicht der Vorstellung wegen, sondern um zu sehen, ob die an ihm vorgenommenen kosmetischen Manipulationen vielleicht auffällig seien. Doch es kümmerte sich niemand um sein Äußeres, und das beruhigte ihn. Nach dem Theater besuchte er ein sehr frequentiertes Weinhaus in der Straße Montorgueil, und dann kehrte er nach seinem Hotel zurück.
Es war ziemlich spät geworden, wohl eine Stunde nach Mitternacht. Er bog daher in die Rue de la Tonnellerie ein und dann in die enge Straße de la Poterie, weil er glaubte, hier näher nach Hause zu kommen, hätte aber besser getan, durch die Rue du Roulenach dem Quai de l'Ecole zu gehen.
Die enge Gasse war kaum notdürftig erleuchtet und fast ganz menschenleer. Indem er langsam dahinschritt, bemerkte er wohl, daß jemand mit schnellen Schritten hinter ihm herkam, aber es dünkte ihm das nicht weiter auffällig. Der Betreffende war kein anderer als Gerard, der Schmied. Er erreichte den Grafen. Dieser wollte sich zur Seite halten, um den schnellen Passanten vorüberzulassen, fühlte sich aber in demselben Augenblick von hinten an der Kehle gepackt, die ihm gleich darauf so fest zusammengeschnürt wurde, daß er keinen Atem holen konnte, die Besinnung verlor und zur Erde stürzte.
Der Schmied garottierte diesesmal ohne Gehilfen; er war allein. Jetzt bückte er sich über den Ohnmächtigen, nahm ihm Uhr und Kette, Börse und Brieftasche und zog ihm sogar, nachdem er die Handschuhe herabgerissen hatte, die Ringe vom Finger.
„Das ging leicht!“ murmelte er vergnügt. „Nun schnell fort.“
Gerard eilte durch die Rue de la Poterie und wandte sich dann rechts in die kurzen Gassen Lenoir, Bourdonnais und Bertin Poirée, bis er zum Quai de la Mégisserie kam. Da dies aber der Weg war, den auch der Beraubte einzuschlagen hatte, um zum Hotel d'Aigle zu kommen, so drehte sich der Schmied abermals nach rechts, ging den Quai de l'Ecole und den Quai du Louvre hinab, an Port St. Nicolas vorüber bis an die große Galerie du Musée, schritt links über die Nationalbrücke hinüber und befand sich nun bei den Bateaux à vapeur (Dampfbooten).
An dieser Stelle legten die Dampfschiffe von St. Cloud an. Es gab auch leere Kähne genug hier. Gerard suchte sich einen derselben aus, der hell von einer der Quailaternen beschienen wurde, stieg hinein und setzte sich. Es sah aus, als ob er der Eigentümer sei. Nun hatte er auch
Weitere Kostenlose Bücher