43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
dich oder für mich?“
„Für mich. Ich verstehe das besser.“
„Bleibt der Graf im Zimmer liegen?“
„Nein; das wird gerichtlich verschlossen, bis das Testament eröffnet ist.“
„Wann wird dies geschehen?“
„Nach den hiesigen Gesetzen noch heute, um zu sehen, wer der Erbe ist und hier zu gebieten hat.“
„Aber wohin kommt die Leiche?“
„Auf ein Paradebett im großen Salon. Bereite alles Nötige dazu vor. Er wird schwarz ausgeschlagen.“
„Mein Gott, gibt es da zu tun!“
„Für mich ebenso. Ich habe für den Sarg zu sorgen und alles übrige zu leiten. Der Tag graut bereits. Ich werde die Arbeit sogleich beginnen.“
„Ich ebenso, und zwar mit diesem Papier.“
Damit warf Josefa das Kuvert samt Inhalt in den Kamin und verbrannte es.
Nach einigen Stunden wurde Cortejo zu dem Arzt gerufen.
„Sie sind der Sekretär von Don Ferdinando?“ fragte dieser.
„Ja.“
„Sie haben alle seine Angelegenheiten geleitet?“
„Allerdings.“
„So erkläre ich Ihnen, daß der Graf wirklich tot ist.“
Cortejo machte ein sehr erschüttertes Gesicht.
„Ist das möglich!“ klagte er.
„Auch ich hielt es für unmöglich, mußte aber doch endlich daran glauben.“
„Sie sagten, es sei Tetanus?“
„Ja. In unserem südlichen Klima kann die kleinste Verletzung zum Tod durch Starrkrampf führen.“
„O Señor, es ist nicht allein das Klima schuld“, bemerkte Cortejo.
„Was sonst?“
„Die Familie de Rodriganda ist zu Tetanus geneigt.“
„Ah, der Starrkrampf ist erblich in der Familie?“ fragte der Arzt überrascht.
„Allerdings. Der Vater sowohl als auch der Großvater des Grafen starben daran. Dieser traurige Fall ist bereits seit vier Jahrhunderten bei den Rodriganda erblich, wie ich ganz genau weiß.“
„Oh, so bin ich beruhigt, so habe ich mir keine Vorwürfe zu machen.“
„Gewiß nicht, Señor. Aber werden Sie mir gestatten, die Leiche von hier zu entfernen? In einer halben Stunde werden die Vertreter der Behörde erscheinen, um die Nachlaßangelegenheiten zu ordnen.“
„Wollen wir die Leiche nicht öffnen?“
„Ich möchte diese Frage verneinen.“
„Warum?“
„Kein Rodriganda ist geöffnet worden, eben des Starrkrampfes wegen. Es ist das so eine Art von Familientradition.“
„Das müßte man allerdings respektieren.“
„Ich bitte darum, Señor. Ich weiß genau, daß Don Ferdinando, sooft vom Tod die Rede war, stets sehr energisch gegen das Messer protestiert hat. Übrigens frage ich, ob ich mir eine geschäftliche Bemerkung gestatten darf?“
„Sprechen Sie, Señor.“
„Sie erhielten als Hausarzt des Grafen ein Gehalt von vierhundert Pesos?“
„Ja.“
„Es ist Gebrauch der Familie de Rodriganda, beim Todesfall dem Hausarzt ein fünffaches Gehalt auszuzahlen. Sollten Sie im Testament nicht erwähnt sein, so werde ich den Erben veranlassen, sich dieses Gebrauchs zu erinnern.“
Der Arzt verbeugte sich sehr dankbar. Mit dieser Bemerkung hatte der schlaue Sekretär jeden Widerstand von vornherein gebrochen. Der Doktor fragte nur noch:
„Wer wird der Erbe sein?“
„Don Alfonzo, wie ich vermute.“
„Sie waren als Zeuge zugegen, als der jetzt verstorbene Graf sein Testament abfaßte?“
„Ja.“
„So kann ich Ihre Vermutung als Gewißheit nehmen. Wollen Sie die Gewogenheit haben, mich Don Alfonzo zu empfehlen? Ich habe stets das Vertrauen Don Ferdinandos besessen.“
„Ich werde mein Möglichstes tun, Señor!“ antwortete Cortejo bejahend.
„So werde ich Ihnen für die Herren von der Behörde den Totenschein ausstellen, behalte mir aber eine nochmalige Untersuchung der Leiche vor, ehe sie beerdigt wird.“
„Ich bitte sogar darum, Señor.“
Somit war die Hauptsache in Ordnung gebracht.
Man hatte den Toten noch nicht fortgeschafft, als die Gerichte erschienen. Die alte Amme mußte sich entfernen, und nur Cortejo durfte bleiben als derjenige, der zu Lebzeiten des Grafen diesen zu vertreten gehabt hatte.
Don Ferdinando hatte sein erstes Testament bei der Behörde deponiert; dieses wurde jetzt geöffnet. Es stellte sich heraus, daß Alfonzo der einzige Erbe sei. Ferner war hervorzuheben, daß dem Erben anempfohlen wurde, den Sekretär, dem überdies ein höchst beträchtliches Legat zufiel, in seinem Dienst zu behalten. Auch sämtliche Bedienstete waren bedacht, doch sollten sie dies erst nach dem Begräbnis erfahren.
„Und wo befindet sich Graf Alfonzo?“ fragte der Testamentseröffner.
„Auf einer fernen
Weitere Kostenlose Bücher