434 Tage
grinsend an die Decke.
Kapitel 12
„Aber du weißt doch bereits, dass Tobias Architekt ist.“
„Und weiter?“
„Was denn noch?“, frage ich verständnislos.
„Na, wie habt ihr euch kennengelernt?“ Er nimmt einen Schluck Espresso. „Ich frage das jetzt als alter Julian. “ Seine Augen grinsen schamlos.
Ich seufze. „Ich habe mit den Architekten nur dann etwas zu tun, wenn es an die tatsächliche Realisierung geht, das heißt, wenn sie den Pitch gewinnen. Also kam Tobias vorbei, um uns seine Modelle vorzustellen.“
„Er hat dir seine Modelle gezeigt?“, fragt Julian grinsend.
„Willst du nun wissen, wie wir uns kennengelernt haben, oder nicht?“
„Doch will ich“, antwortet er ernst. „Ich bin still. Erzähl’ schon.“
Ich schließe die Augen und denke an den Moment, in dem ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Ich sehe, wie er den langen Korridor entlang geht. Ich erinnere mich an sein Lächeln und seine sanfte Art und diesen verlorenen Gesichtsausdruck. „Wir haben seine Arbeiten besprochen und ich habe mich in seiner Gegenwart auf Anhieb Wohl gefühlt. Mit ihm war es einfach angenehm, irgendwie geborgen. Ach, keine Ahnung. Wir haben uns jedenfalls gleich gemocht.“
„War es wie bei uns?“
„Was meinst du?“, frage ich, obwohl ich genau weiß, was er meint.
„Na, wie bei uns eben.“ Seine Augen lächeln. „So, als hätte man sein Leben bis zu diesem Augenblick in einer Art Dämmerzustand verbracht. Alles davor war eine Art Wachkoma und dann ganz plötzlich ist man wirklich wach. Richtig wach.“ Er schaut mich an. „Keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll. Wie bei uns eben.“
„Nein, so war es nicht.“
„Hm.“
„Spar dir dein blödes hm. “, sage ich nüchtern. „Nicht jede Liebe fängt gleich an. Oder hat deine nächste Beziehung so angefangen?“ Und während ich das frage, hoffe ich, dass sie nicht so angefangen hat.
„Nein, hat sie nicht.“
„Na, siehst du.“
„Ja, aber Larissa und ich sind auch schon eine ganze Weile nicht mehr zusammen.“
„Wir auch nicht.“ Ich trinke einen großen Schluck Wasser.
„Das ist ein guter Punkt.“ Einen Augenblick schaut er mich nur an mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht. Es ist, als würden seine Augen eine andere Sprache sprechen. Russisch vielleicht. „Raucht Tobias?“
„Nein, tut er nicht.“
„Dann hast du vermutlich seinetwegen damit aufgehört.“
„Das hatte nichts mit ihm zu tun“, lüge ich. „Ich bin ja nicht Tobias Sklavin.“
„Da bin ich erleichtert. Und wann wusstest du, dass er der Richtige für dich ist?“
Ich ignoriere den sarkastischen Unterton in seiner Stimme, was mich viel Kraft kostet. „Ich glaube, es war, als ich nicht mehr an dich gedacht habe. Ich wollte ihn, weil er so ganz anders war als du.“
Julian schaut mich eine Weile an. Ich versuche in seinem Blick zu lesen, doch ich habe keine Ahnung, was er gerade denkt. Er spricht wieder russisch. „Ich habe vergessen, wie entwaffnend ehrlich du sein kannst.“
„Ich dachte, wenn er es schafft, die Leere zu füllen, die du hinterlassen hast, dann muss das mit ihm und mir etwas Besonderes sein. Und in der Nacht, als mir das klar wurde, sind wir zusammengekommen. Ein Jahr später haben wir geheiratet.“
„Ihr hattet es aber eilig.“
„Warum warten, wenn etwas funktioniert?“, frage ich und nehme noch einen Schluck.
„Tut es das?“, fragt er und schaut mich eindringlich an.
„Was?“
„Na, funktioniert es?“
„Das habe ich doch eben gesagt.“
„Und es gab nie einen anderen?“
„Nein.“
„In zehn Jahren nicht einen einzigen?“, fragt er ungläubig.
„Welchen Teil von nein hast du nicht verstanden?“
„Bewundernswert.“
„Hast du mich damals betrogen?“, frage ich und hoffe, dass es beiläufig klingt.
„Denkst du das?“
„Na, es scheint dir sehr abwegig vorzukommen, jemandem zehn Jahre lang treu zu sein, vielleicht fandest du es ja auch in den fünf Jahren mit mir abwegig.“
„Ich habe nie gesagt, dass ich es abwegig finde, sich zehn Jahre treu zu sein.“, sagt er und schaut mir direkt in die Augen.
„Sondern?“
„Ich finde es abwegig, dass du einer reinen Vernunftsentscheidung zehn Jahre lang treu bist.“
„Tobias ist keine reine Vernunftsentscheidung.“, sage ich abwehrend.
„Okay, das war möglicherweise zu hart, vielleicht ist er keine reine Vernunftsentscheidung.“
Ich weiß, dass es keinen Sinn macht, weiter darüber zu reden, deswegen schaue ich auf
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