Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
Vom Netzwerk:
Wochen habe ich mich wie eine Besessene auf diese Präsentation vorbereitet und jetzt, wo ich sie hinter mich gebracht habe, bemerke ich erst, wie unbeschreiblich müde ich eigentlich bin. Meine Arme fühlen sich unnatürlich schwer an. Meine Augen brennen. Die vergangenen Nächte habe ich kaum geschlafen und die Nächte davor habe ich teilweise durchgearbeitet, um auf jede noch so unwahrscheinliche Frage eine plausible Antwort zu haben. Das Adrenalin hat mich davon abgehalten, mich zu bemerken. Die Müdigkeit steckt mir in den Gliedern, in jedem Gelenk. Ich denke gerade an mein gigantisch großes Bett, als mir jemand auf die Schulter tippt.
    „Anja, hallo.“ Das kann doch nicht wahr sein. Da gehe ich extra nicht im Hotel Kaffee trinken und dann das. Eine Weile schauen wir uns nur an und es scheint so, als würde er darauf warten, dass ich ihn bitte, sich zu setzen. „Hast du schon bestellt?“ Gerade, als ich antworten will, geht er um den Tisch und setzt sich unaufgefordert zu mir. Und er bringt es auch noch fertig, zu lächeln, als er das tut. Er schaut mich an, als wäre nie etwas gewesen. Doch es war nicht nichts. Da war etwas. „Wo ist denn, wie hieß sie noch?“
    „Katja.“ Er befeuchtet die Lippen und lächelt.
    „Ach ja, richtig.“
    „Sie ist heute Mittag zurück geflogen.“
    „Das tut mir Leid“, sage ich und winke dem Kellner. „Die Tatsache, dass Katja nicht mehr da ist, bedeutet aber nicht, dass wir plötzlich Freunde sind.“ Der Kellner kommt auf mich zu und nickt mir freundlich entgegen. „Einen Espresso Macchiato und ein Glas Leitungswasser bitte.“
    „Machen Sie zwei draus.“
    „Bringe ich Ihnen sofort.“
    „Du hast ihn über die Arbeit kennengelernt, richtig?“
    Eine Weile mustere ich ihn, die Arme vor der Brust verschränkt, die Beine überschlagen. „Wie kommst du darauf?“
    „Du Projekt-Managerin in der Immobilienentwicklung und er Architekt. Ich bitte dich, das war nicht weiter schwer zu kombinieren.“ Der Kellner stellt zwei winzige Tassen und zwei Gläser vor uns ab. Die Rechnung klemmt er unter eine der Untertassen, dann verschwindet er. „Ich wette, dann habt ihr so ein supermodernes Architektenhaus.“
    „Und weiter?“, frage ich kopfschüttelnd.
    „Also stimmt es.“
    „Ja, tut es.“ Ich rühre den Espresso um. „Sonst noch irgendwelche Fragen?“
    „Nur eine.“
    Ich seufze. „Und die wäre?“
    „Ihr seid zehn Jahre verheiratet.“
    „Erstens sind es noch nicht zehn“, stelle ich nüchtern fest. „Und zweitens war das keine Frage.“
    „Nein, das stimmt. Die Frage, die mich eigentlich beschäftigt, ist, warum ihr keine Kinder habt? Ich meine, ihr seid verheiratet, habt ein Haus, seid beide finanziell abgesichert... wieso dann keine Kinder?“
    „Was soll die Frage?“ Und noch während ich die Frage stelle, ärgert es mich, dass man die Anspannung in meiner Stimme deutlich hört.
    „Es hat mich einfach gewundert, das ist alles.“
    Von wegen, das ist alles. Das glaubt doch kein Mensch. Warum haben wir keine Kinder? Ich meine, er hat recht, wir sind seit zehn zusammen. Neun davon verheiratet. Man hat nach zehn Jahren Kinder. Außer, es geht nicht, oder einer oder beide wollen eben keine. Ist es das bei uns? Ich glaube nicht. Wir haben über Kinder gesprochen. Mehrfach. Und ich denke, ich würde mich daran erinnern, wenn er gesagt hätte, Du, Kinder kommen für mich nicht in Frage . Oder Ich hasse Kinder . Also, warum haben wir dann keine? Vielleicht, weil wir so wenig Zeit miteinander haben. Vielleicht weil entweder er oder ich oder wir beide müde sind. Vielleicht auch, weil ich mich vor vier Jahren für meine Karriere entschieden habe. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Fakt ist, wir haben keine. „Wir haben eben keine.“, antworte ich knapp, weil alles andere wie eine Rechtfertigung klingen würde. „Und was ist mit dir?“, frage ich und nehme einen Schluck Espresso. „Wirst du sie heiraten?“
    „Wen? Katja?“
    „Hast du denn mehr als eine Freundin?“
    „Wir sind noch nicht mal vier Monate zusammen.“
    „Das zwischen euch beiden schien so ernst.“
    „Ich weiß nicht, ob ich der Typ für die Ehe bin.“
    „Wenn du so bist, wie du einmal warst, dann wohl eher nicht.“
    „Inwiefern?“
    „Na ja, du hattest die Wahl zwischen mir und einem Praktikum und du hast dich für das Praktikum entschieden.“ Ich trinke den Rest in einem Sitz aus. „Das ist vielleicht nicht die beste Einstellung für eine Ehe. Aber, was weiß ich schon?

Weitere Kostenlose Bücher