434 Tage
Ich bin nur eine alte Bekannte. Und ich bin nicht Katja.“
„Nein, das bist du nicht.“
Arschloch. „Ich denke, ihr beide könntet es echt schaffen.“
„Ehrlich? Und was macht dich da so sicher?“
„Manche Männer brauchen einfach eine Frau, die ihnen intellektuell abgrundtief unterlegen ist und ich glaube, da hast du mit Katja wirklich einen absoluten Glücksgriff gelandet.“ Ich lächle. „Außerdem passt ihr optisch gut zusammen. Ich meine, ihre Frisur passt perfekt zu deinem Anzug.“
Sein Mund bleibt ernst, ohne Regung, doch irgendetwas, ganz tief in seinen unergründlichen Augen lächelt. „Es ist schon komisch“, sagt er nach einer Weile.
„Was ist komisch?“
„Wie unterschiedlich man Dinge sieht.“
„Du findest nicht, dass ihre Frisur zu deinem Anzug passt?“
„Doch, doch, das tut sie, aber das meine ich nicht.“ Er nimmt einen Schluck Espresso, dann winkt er dem Kellner. „Willst du auch noch einen?“ Und ich weiß nicht warum, aber ich nicke. „Nochmal zwei bitte.“
„Was meinst du dann?“, frage ich, als der Keller wieder weg ist.
„Ich habe damals gar nicht gewusst, dass ich mich zwischen dir und dem Praktikum entscheide.“
„Ja, weil du das nicht sehen wolltest.“
„Siehst du, genau das meine ich. Ich habe es nämlich irgendwie so in Erinnerung, dass du mich zum Flughafen gebracht hast und ein paar Tage später lag dann ein Brief in meinem Briefkasten, in dem du mich verlässt.“ Ich schaue auf den See. „Ich könnte mich täuschen, aber wenn man es genau nimmt, habe ich mich damals nicht gegen dich entschieden, sondern du dich gegen mich.“
„Was spielt das alles noch für eine Rolle?“, frage ich nüchtern. „Du gegen mich, ich gegen dich... Wer sich gegen wen entschieden hat, ist doch im Endeffekt vollkommen egal. Fakt ist, wir sind nicht zusammen geblieben. Wir haben unterschiedliche Richtungen eingeschlagen. Und wir sind nur da, wo wir jetzt sind, weil wir uns damals so entscheiden haben.“
„Ja, das stimmt.“, antwortet er und lächelt sein Lächeln. „Wir sind beide hier.“
Kapitel 11
Wir sitzen in Caros Küche. Es dämmert bereits. Caro und Kai unterhalten sich angeregt. Und ich habe keine Ahnung worüber. Julian und ich starren uns an, nur um dann wenige Augenblicke später verlegen auf die Tischplatte zu schauen. Ich versuche natürlich zu wirken, gelassen und ruhig, doch ich schaffe es nicht. Die Wahrheit ist, ich bin gerade das Gegenteil von gelassen. Die verhasste Stiefschwester von gelassen. Ich betrachte seine Lippen und ich kann nicht wegsehen. Sie sind wie eine neue Welt, die greifbar nah ist, aber trotzdem unerreichbar scheint. Jedes Mal, wenn ich schlucke, klingt das angestrengt und schrecklich laut. Ich versuche normal zu atmen, aber es fühlt sich an, als stünde jemand auf meinem Brustkorb. Und dann lächelt er sein Lächeln und es ist, als würden seine schwarzen Augen gerade zaghaft die Hände ausstrecken und mich anfassen.
„Wir sollten dann mal gehen.“, sagt Kai und schaut zu Julian, der zurückhaltend nickt. Und wie auf Befehl stehen beide auf. „Das war ein schöner Abend.“ Kai lächelt, Caro strahlt. „Ich rufe dich später an.“
Wir folgen ihnen in Richtung Tür. Sein Duft scheint drei Meter hinter ihm herzugehen und es auf meine Nase abgesehen zu haben.
Plötzlich bleibt er stehen und dreht sich um. „Gibst du mir deine Nummer?“ Seine Stimme ist dunkel und weich und unendlich schüchtern.
Ich nicke und gehe in die Küche zurück. Dort schreibe ich mit zitternden Fingern meinen Namen und meine Festnetznummer auf, weil mir meine Handynummer nicht einfällt. Ich gehe in den Flur zurück und reiche ihm den Zettel. Einen kleinen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken, mir auch seine Nummer geben zu lassen. Nur für den Fall, dass er nicht anruft, meine ich. Doch ich sage nichts. Er kommt langsam auf mich zu, legt seine Hände auf meine Schultern und gibt mir zwei Küsschen, auf jede Wange eines. Als sich unsere Gesichter berühren, läuft es mir eiskalt über den Rücken.
…
Caro und ich liegen nebeneinander im Bett. Die Sonne ist längst aufgegangen und die Vögel wetteifern um das lauteste Zwitschern. Normalerweise würde mich das nerven. Aber heute ist nicht normalerweise. In meinem Brustkorb tobt immer noch das Eichhörnchen. Und es scheint nicht müde zu werden. Und obwohl Julian schon lange weg ist, die unsichtbaren Fäden hat er bei mir gelassen. Also liege ich einfach da und starre ich
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