Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
Vom Netzwerk:
die Uhr. „Ich gehe dann mal ins Hotel zurück“, sage ich und ziehe meinen Geldbeutel aus der Tasche. „Ich bekomme langsam Hunger und außerdem ist Morgen ein langer Tag.“
    „Hör zu“ Er rutscht auf den Nachbarstuhl und legt seine Hand auf meine Schulter. Und in diesem Augenblick überschreitet er einfach die durchsichtige Grenze zwischen seinem und meinem Tischabschnitt. „Ich hätte das nicht sagen sollen, das ging zu weit.“
    „Ja, das stimmt“, antworte ich betont nüchtern. „Das ändert nichts daran, dass ich jetzt gehen will.“
    „Dann lass uns gehen.“, antwortet er und steht auf. Er klemmt 15 Euro zur Rechnung unter der Untertasse. „Ich übernehme das.“
    „Das kann ich nicht annehmen.“
    „Doch das kannst du.“ Er lächelt und schiebt mich in Richtung Promenade. „Siehst du, das war ganz einfach.“
    „Danke.“
    „Keine Ursache.“
    …
    Der Aufzug bleibt stehen und Julian steigt aus. Bevor die Türen Zeit haben, zuzugehen, dreht er sich noch einmal um und hält die Hand vor die Lichtschranke. „In einer Stunde im Hotel-Restaurant?“
    „Ich weiß nicht. Lieber nicht.“
    „Also, ich werde in einer Stunde unten sein und ich würde gerne mit dir essen.“ Dann nimmt er seine Hand weg und die Türen schließen sich.
     
Kapitel 13  
    Ich betrachte Tobias Gesicht. Er liegt neben mir. Sein hellbraunes Haar ist verwuschelt und sein Mund leicht geöffnet. Er sieht so aus, als hätte er in seinem Leben noch nie Sorgen gehabt. So als wäre ihm noch nie etwas Schlechtes passiert. Und in diesem Augenblick erinnert er mich an den Tobias von vor zehn Jahren.
    Ich weiß, warum wir keine Kinder haben. Weil wir seit einem Jahr nur zwei Mal Sex hatten. Ich habe die letzten Monate nur mit Julian geschlafen. Andauernd. Aber warum nicht davor? Ich meine, wir hätten neun Jahre Zeit gehabt. War es die Karriere? War es Egoismus? Ich stehe auf und gehe ins Bad. Aber was, wenn wir Kinder hätten? Die Situation wäre noch viel schwieriger, als sie es ohnehin schon ist. Wenn ich ehrlich bin, ist es eine Erleichterung, dass wir keine haben. Andererseits wäre ich vielleicht gar nicht in dieser Situation, wenn wir welche hätten. Ich meine, vielleicht wäre ich beruflich kürzer getreten und hätte dementsprechend auch nicht nach Genf fliegen müssen. Ich wäre hier gewesen. Bei meiner Familie. Wir hätten zu Abend gegessen und über unseren Tag geredet und ich hätte Julian nicht getroffen. Ich hätte keinen verdorbenen Tintenfisch gegessen und hätte Julian folglich auch nicht in der Bar getroffen. Wir hätten nicht gemeinsam zu Abend gegessen. Andererseits hätten wir uns dann nie ausgesprochen. Ich hätte nie seine Sicht der Dinge erfahren. Aber das war nicht das Thema. Hätten Tobias und ich Kinder, hätte ich Julian vermutlich nie wieder gesehen. Das ist der springende Punkt.
    Wobei. Dann hätte ich ihn vielleicht irgendwann irgendwo anders getroffen. In der Stadt. Im Supermarkt. Im Kino. Was weiß ich.
    Die Wahrheit ist, dass ich keine Kinder wollte. Zumindest wollte ich nicht unbedingt welche, sonst hätten wir welche. Es liegt an mir. Es war meine Entscheidung, auch wenn die nicht bewusst gefallen ist. Es lag bestimmt nicht an Tobias. Er wollte Kinder. Vermutlich würde er auch jetzt noch welche wollen. Er hat einfach irgendwann aufgehört darüber zu reden.
    Ich schließe die Augen und denke an Julian. Ich glaube, das wirklich erschreckende ist, dass die Affäre mit Julian funktioniert. Es geht schon lange nicht mehr nur um Sex. Wir reden und wir lachen. Wir können ernst sein und albern. Wir haben eine Beziehung. Eine Beziehung neben meiner Ehe.
    Und ab und zu beschleicht mich die Angst, dass Julian neben mir noch andere Frauen hat. Sollte ich diese Angst haben? Wenn es nur eine Affäre ist, warum ist mir das dann wichtig? Was ist, wenn es nicht nur eine Affäre ist? Was ist, wenn es mehr ist?
    Ich kann Tobias nicht verlassen. Ich kann es einfach nicht. Und ein Teil in mir will es auch nicht, auch, wenn ich zugeben muss, dass dieser Teil immer kleiner und weniger vehement wird. Doch er ist noch da. Andererseits wird mir bei dem Gedanken schlecht, dass Julian noch andere Bettgeschichten hat. Aber ich habe kein recht, etwas zu sagen. Er hat mich nie gebeten, nicht mehr mit Tobias zu schlafen. Und er weiß nicht, dass Tobias und ich seit Genf nur zwei Mal Sex hatten. Zwei Mal. In einem Jahr. Das ist so abscheulich.
    Ich wünschte einfach, eines dieser beiden Gefühle würde eindeutig

Weitere Kostenlose Bücher