434 Tage
ist Vergangenheit und mit ihm der gestrige Abend. In den hintersten Winkeln meines Gehirns liegt noch die Erinnerung an einen schönen Traum.
Eine halbe Stunde später verlasse ich beschwingt mein Zimmer. Ich fühle mich federleicht. Dieser Tag ist wie eine frische Frühlingsbrise nach einem langen, harten Winter. Die Frau die noch wenige Stunden zuvor diesen Korridor entlang geschlichen ist, scheint unendlich weit entfernt, fast so, als hätte es sie nie gegeben. Bei diesem Gedanken, steige ich lächelnd in den Aufzug und fahre ins Erdgeschoss.
Und sogar der Anblick von Julian und Katja perlt an meinem glücklichen Selbst ab. Vielleicht ist es nämlich in Wahrheit so, dass Katja ihm genau das geben kann, das ich ihm nie geben konnte. Vielleicht musste ich erst ihn lieben, um Tobias finden zu können. Den Mann, mit dem ich bis an mein Lebensende zusammen sein werde.
Ich setze mich an einen der freien Tische auf der Sonnenterrasse und genieße den fantastischen Blick auf den See. Die gewaltigen Berge im Hintergrund wirken fast unwirklich zwischen dem Blau des Wassers und dem des Himmels. Der große strahlendweiße Sonnenschirm taucht meinen Tisch in kühlen Schatten und in Kombination mit den grünen Palmwedeln, fühle ich mich wie in einer Rafaello Werbung. Gut, ich bin nicht umgeben von einer Schar blendend aussehender Freunde und ich habe auch keine blonde Katja-Mähne, aber abgesehen davon, stimmt das Bild.
Ich bestelle ein großes französisches Frühstück mit frischgepresstem Orangensaft und Café au Lait, dann greife ich in meine Tasche und ziehe ein Buch heraus. Bei dem Gedanken, ganze drei Stunden Zeit zu haben, breitet sich ein wohliges Gefühl in meinem Bauch aus und mein Dämon rollt sich zufrieden zusammen. Er ist friedlich.
Kapitel 10
„Dann bringen wir’s mal zu Ende, Frau Plöger.“ Er steht auf und legt seine Hand auf meine Schulter.
„Sehr gerne.“, antworte ich zurückhaltend, obwohl ich am liebsten vor Begeisterung laut schreien würde. Ich würde am liebsten meine Arme in die Höhe werfen und mir im Anschluss selbst auf die Schulter klopfen. Niemand hat diesen Kunden bisher geknackt. Ich höre noch meinen Chef, wie er sagt, mach dich aber nicht fertig, wenn’s nichts wird. An dem Typ hab ich mir vor zwei Jahren auch die Zähne ausgebissen. So fühlt sich also Genugtuung an. Ein fantastisches Gefühl. Ich muss zugeben, dass es auch andere Momente gibt. Manchmal bin ich bei der Arbeit geistig dermaßen unterfordert, dass ich Angst habe, mein Gehirn könnte aus mangelnder Aktivität auf Rosinengröße zusammenschrumpfen und bei einer falschen Bewegung aus meinem Ohr fallen. Aber manchmal, ganz selten, da gibt es diese Augenblicke. Die Augenblicke, die all das erträglich machen. Und das hier ist so einer. Die Genugtuung kittet gerade all die brüchigen Stellen meines Selbstbewusstseins.
„Wo muss ich unterschreiben?“
Ich reiche ihm meinen Mont Blanc Füller und deute auf eine der beiden Markierungen. „Einmal hier, und einmal auf der nächsten Seite.“
Er setzt den Füller an, dann schaut er mir noch einmal in die Augen. „Sie werden das Projekt doch leiten, oder?“
„Wenn Sie das möchten.“
„Wenn ich das hier unterschreibe, habe ich dann Ihre verbindliche Zusage, dass Sie sich um alles kümmern werden?“
„Selbstverständlich.“ Und dann tut er es. Er unterschreibt. Ich bin einfach die Größte.
…
Ich drehe die Tasse um und suche nach dem Preis, dann beäuge ich sie wieder kritisch von allen Seiten. Na, schön ist sie schon. Und sie würde gut zu den anderen passen. Ach, was soll’s. Wenn ich wirklich noch andere finde, die mir besser gefallen, dann kaufe ich die eben auch. Ich nehme zwei Tassen aus dem Regal und gehe zur Kasse.
Auf meinem Streifzug den See entlang, fällt mir ein kleines Café ins Auge. Es liegt direkt am Ufer. Ich krame mein Handy aus der Tasche, mache ein Foto und schicke es Tobias. Er liebt das Gebirge, vor allem schroffe Felsen und Klippen. Klettern war schon immer seine große Leidenschaft. Das hat mich ehrlich gesagt am Anfang ein bisschen gewundert, denn er ist nicht der abenteuerlichste Typ. Wenn man es genau nimmt, ist Tobias das Gegenteil eines Adrenalin-Junkies. Die Kontrolle zu verlieren, wäre für ihn das schlimmste.
Als ich mich setze vibriert mein Handy. Ich wünschte, ich wäre mit dir dort. Ich sitze in einem Meeting, das nicht enden will. Du fehlst mir. Ich liebe dich. Ich lege das Handy beiseite. Die vergangenen
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