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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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schlechtes Gewissen einzureden. Ich bin schuld. Ich allein. Okay?“
    „Nein, es ist nicht okay, wenn du das nicht wirklich so siehst.“
    „Was willst du von mir hören?“
    „Die Wahrheit.“
    „Gut, die Wahrheit ist, dass ich es genauso sehe, wie ich es gesagt habe.“ Ich ziehe an der Zigarette. „Ich habe mich verändert und du bist gleich geblieben. Und daran ist eigentlich nichts Schlimmes. Es passt eben einfach nicht zusammen.“
    „Warum hast du nicht mit mir geredet?“
    „Ich habe das erst bemerkt, als ich ihn wieder getroffen habe. Ich habe erst durch ihn begriffen, dass ich einmal ganz anders war, viel offener, viel weniger ängstlich, weniger sicherheitsbedürftig.“ Ich atme tief ein. „Tobias, ich habe einen Job, in dem ich wahnsinnig gut bin, der mich zu Tode langweilt, ich habe einen Mann, der ganz fantastisch ist, aber dessen Fantasie leider ausschließlich in irgendwelche Hausmodelle fließt und dann taucht er plötzlich auf. Du und ich leben zwar zusammen, aber ziemlich oft doch eher aneinander vorbei.“ Ich schließe die Augen und massiere meine Stirn. „Ich habe es nicht gesehen. Ich dachte wirklich, wir wären glücklich.“
    „Ich war glücklich“, sagt Tobias nach einer Weile.
    „Okay, dann war eben nur ich nicht glücklich. Aber zeigt das nicht einmal mehr, dass uns offensichtlich völlig unterschiedliche Dinge glücklich machen?“
    „Du hättest mit mir reden müssen.“ Seine Stimme klingt müde und ausgelaugt. „Gleich nach dem ersten Mal. Du hättest es mir sagen müssen. Du hättest ehrlich zu mir sein müssen.“
    „Du hast recht“, gebe ich zu. „das hätte ich.“
    „Und warum hast du es nicht getan? Und bitte, sag mir die Wahrheit.“
    „Die Wahrheit?“
    „Ja, Anja, die Wahrheit. Weißt du, das Gegenteil von lügen.“
    „Ich wollte ihn viel zu sehr.“ Er schweigt. Was soll er auch sonst tun? „Mit ihm fühle ich mich lebendig.“
    „Und das hättest du mit mir nicht gekonnt?“
    „Tobias, nimm es mir nicht übel, aber du bist nicht spontan. Du bist nicht der Typ, der mich, wenn wir Spazierengehen in eine zufällig offene Tiefgarageneinfahrt zieht und zwischen zwei BMWs mit mir schläft.“
    „Ich will das nicht hören.“
    „Ja, aber so ist es.“
    „Und das brauchst du?“, fragt er verständnislos. „Sex in Tiefgaragen?“
    „Mein Gott, Tobias, das war nur ein Beispiel. Es geht nicht um die Tiefgarage. Es geht um Spontaneität, es geht um das Gefühl von Abenteuer zwischen der ganzen Routine. Es geht um Augenblicke, von denen niemand sonst weiß, Augenblicke, die einen verbinden. Ich will ab und zu Adrenalin und ich will kindisch sein können. Ich will nicht nur leben, ich will lebendig sein. Und das, was wir tun, ist einfach nicht meine Vorstellung von lebendig sein. Wir leben. Und das war lange gut, aber das reicht mir nicht mehr.“
    „Warum hast du mich dann nicht einfach verlassen? Warum bist du nicht zu ihm gegangen? Oder war das Betrügen Teil des Adrenalins?“
    „Nein, war es nicht“, antworte ich und hoffe, dass es stimmt. „Ich habe dich geliebt. Und ich liebe dich noch. Und es gibt viele Dinge, die ich an uns geliebt habe und von denen ich dachte, dass ich sie brauche, und dass ich ohne sie nicht leben kann.“
    „Was, zum Beispiel?“
    „Na, manche Rituale, die Geborgenheit, die Sicherheit, dein ruhiges, ausgeglichenes Wesen... Vieles eben.“
    „Willst du mir damit sagen, dass du ihn für den Sex und die Aufregung und das Abenteuer hattest und mich für die Geborgenheit?“ Seine Stimme vibriert. „Bitte sag mir, dass es nicht so ist.“
    „Doch“, sage ich seufzend. „wenn ich ehrlich bin, denke ich, dass es genau das war. Das Beste aus beiden Welten.“
    „Ich hätte auch andere haben können.“
    „Daran habe ich keinen Zweifel.“
    „Hatte ich aber nicht.“, sagt er aufgebracht.
    „Hättest du es denn gerne getan?“ Er schweigt. „Tobias?“
    „Ja, vielleicht. Der Unterscheid ist, ich habe mich zusammengerissen.“
    „Und darauf bist du stolz?“, frage ich ruhig.
    „Was heißt da stolz?“
    „Tobias, denkst du, ich hatte diesen Gewissenszwiespalt nicht? Natürlich hatte ich den. Und im Unterschied zu dir, hat bei mir eben das Verlangen gewonnen.“ Ich zünde mir eine weitere Zigarette an. „Die Tatsache, dass du dieses Verlangen kontrollieren musstest, zeigt im Grunde doch, dass du so ganz und gar glücklich auch nicht gewesen sein kannst.“
    „Verdreh‘ jetzt nicht die Tatsachen.“
    „Ich verdrehe

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