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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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Bestimmt wäre es das. Vielleicht wäre ich nach New York geflogen. Vielleicht hätte ich das BWL-Studium geschmissen und ich hätte mich dann vermutlich auch nicht auf Immobilien spezialisiert. Aber dann hätte ich vermutlich auch Tobias nie kennengelernt. Ich habe Tobias geliebt. Ich liebe ihn noch. Aber vielleicht hätte ich ihn nicht gebraucht. Die Sonne geht langsam auf. Vereinzelte rosafarbene Schleierwolken driften träge über den Himmel. Sie wirken müde. Vielleicht bin aber auch ich einfach müde.
     
Kapitel 33  
    „Und? Hast du ihn noch einmal gesehen?“, frage ich nervös. Und dieses Mal versuche ich erst gar nicht Desinteresse zu heucheln. Caro würde mir ohnehin nicht glauben.
    „Ja, gestern.“ Sie zupft an der Schnalle ihrer Handtasche herum.
    „Und?“ Ich klinge ungehalten.
    „Was willst du von mir hören, Anja?“
    „Keine Ahnung, wie es war, was ihr gemacht habt, wie es ihm geht... Alles eben.“
    „Ich habe nicht viel mit ihm gesprochen“, sagt sie nach einer Weile. „Ich hatte das Gefühl, dass er mich gemieden hat. Ich glaube, er wollte nicht über dich reden.“
    „Caro, ich kenne dich. Du verschweigst mir doch etwas.“ Ich weiß, dass ich recht habe. „Was sagst du mir nicht?“
    „Bitte, lass uns einfach das Thema wechseln.“
    „Er hat eine Freundin.“
    „Nein, also, ich weiß es nicht.“
    „Mein Gott...“ Mein Dämon grollt und brüllt. Er schlägt um sich. „Aber es gibt eine Frau.“
    „Ich habe nur etwas am Rande mitbekommen.“
    „Und du bist nicht auf die Idee gekommen, Kai danach zu fragen?“ Ich stehe auf. Mein Magen ist verkrampft, meine Augen füllen sich mit Tränen. „Es sind nicht mal drei Monate. Nicht einmal... wie...“
    „Vielleicht habe ich das ja auch falsch verstanden“, sagt Caro vorsichtig. „Ich meine, ich habe es echt nur nebenbei gehört.“
    „Was genau hast du denn gehört?“
    „Dass er eine Frau kennengelernt hat. Eine Künstlerin oder Designerin oder so was. Und...“
    „Und was?“, frage ich und schaue ihr fest in die Augen.
    „Dass sie ganz anders ist, als andere Frauen... Mehr habe ich nicht mitbekommen. Ehrlich.“
    Eine Weile schweige ich. Ich sauge den Schmerz ganz tief in mich auf, um nicht zusammenzubrechen. Fünf Jahre. Und nach nur drei Monaten findet er eine Frau, die ganz anders ist als andere Frauen. Vermutlich vor allem anders als ich. Besser als ich. Eine, die ihn versteht. Eine kreative. Ich wusste es. Erst verliebt er sich in die Stadt, dann in eine Frau. „Ich habe gewusst, dass das passieren würde“, sage ich und wische hastig mit dem Handrücken über meine Wangen. „Ich dachte nur nicht, dass es so schnell gehen würde.“
    …
    Ich liege auf dem Bett, das Gesicht tief in die Kissen gedrückt. Die Federn ersticken mein Schluchzen. Sie saugen meine Tränen auf und schmiegen sich sanft an meine Haut, so als würden sie mich streicheln. Sie flüstern mir zu, dass alles wieder gut wird. Sie sagen mir, dass es irgendwann nicht mehr wehtun wird. Und ich hoffe, dass sie recht haben.
    Als ich aufstehe, zittern meine Knie. Ich fühle mich leer und betäubt. So als wäre ein Teil in mir gestorben. Dieser Teil war schon lange schwer krank. Und nun gibt es ihn nicht mehr. Es war ein schmerzhafter, langsamer Tod. Und auch, wenn das nicht der richtige Zeitpunkt ist, denn dafür gibt es keinen richtigen Zeitpunkt, so läuft es doch darauf hinaus, dass ich recht hatte. Ich habe es gewusst. Und ich habe mich richtig entschieden. Julian zu verlassen war immer noch besser, als von ihm verlassen zu werden.
     
Kapitel 34  
    Liebe Anja,
    ich bin wieder Student. Und dieses Mal ist es der absolute Wahnsinn. Wenn der Wecker morgens klingelt, springe ich aus dem Bett und bin wach. Ich freue mich auf meine Kurse. Ich zeichne. Und zwar den ganzen Tag. Und wenn ich nicht gerade händisch zeichne, dann arbeite ich mit total irren Zeichen- und Bildbearbeitungsprogrammen. Ich habe das gefunden, was mich glücklich macht. Etwas, das ich kann und das ausdrückt, wer ich bin.
    Und obwohl ich glücklich bin, macht es mich fertig, dass ich das nicht mit dir teilen kann. Ich habe das Gefühl, als wäre ich wieder der geworden, der ich immer war oder immer sein wollte, nur dass ich nicht wusste, wer das ist. Und auf einmal weiß ich es. Ich bin wieder ich. Der Mensch, der ich in deiner Gegenwart immer sein konnte. Und zum ersten Mal brauche ich dich nicht dazu. Ich kann auch alleine ich sein.
    Ich habe gehört, dass Caro dir erzählt hat,

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