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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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verheißungsvoll entgegen. Sie scheinen mich zu beobachten. Und auf einmal stört es mich, nackt zu sein. Ausgeliefert. Beim Anblick seines Gesichts, raunt mein Dämon und mein Magen zieht sich zusammen. Ich stelle das Wasser ab. Und während ich dort im heißen Wasserdampf stehe und die einzelnen Tropfen kritzelnd über meine Haut kriechen, denke ich daran, wie Julian und ich uns kennengelernt haben. Ich denke an unseren ersten Kuss und daran, wie das Adrenalin meinen Körper überflutet hat. Das scheint ein ganzes Leben entfernt. Gott, habe ich das gut verdrängt.
     
Kapitel 3  
    „Was machst du denn schon zu Hause?“ Tobias kommt auf mich zu und nimmt mir die Tasche ab. „Ich dachte du hast gesagt, es wird heute später.“
    „Ich kann auch wieder gehen“, sage ich kratzbürstig und ziehe die Schuhe aus.
    „Harter Tag?“
    „Ich fühle mich beschissen.“, sage ich und weiche seinem Blick aus, weil ich Angst habe, dass er darin meine Schuldgefühle sehen kann.
    Tobias stellt die Tasche auf den Boden und nimmt mich in die Arme. Mit den Fingerkuppen streichelt er über meinen Nacken. „Konntest du im Hotel nicht gut schlafen?“ Ich spüre seinen Atem an meiner Wange. Dann seine Lippen, die mich sanft küssen. Ich hasse mich. Und das nicht nur wegen letzter Nacht und auch nicht wegen all der Nächte der vergangenen Monate, sondern vor allem wegen all der Nächte, die noch kommen werden. Denn egal wie sehr mein Verstand auch damit aufhören will, mein Körper will es nicht. Ich bin wie ein Junkie, der sich gerade ein weiteres Mal vornimmt, am kommenden Tag ein neues Leben anzufangen und im selben Augenblick genau weiß, dass er es wieder nicht schaffen wird. Gott, wie ich mich hasse. „Was geht dir durch den Kopf?“
    „Gar nichts. Ich bin einfach fertig.“
    „Dann leg’ dich doch ein bisschen hin.“
    „Das ist vielleicht das Beste.“ Ich versuche zu lächeln, doch es fühlt sich nicht an, wie ein echtes Lächeln.
    „Ich wecke dich zum Abendessen.“
    „Ist gut.“, sage ich und gehe in Richtung Stufen.
    „Schnecke?“
    Ich drehe mich noch einmal um. „Hm?“
    „Ich habe dich letzte Nacht vermisst.“
    …
    „Und du willst sicher nichts essen?“, flüstert er und streichelt über meine Wange.
    „Ich will nur schlafen.“
    „Okay, ich komme auch bald.“ Er küsst mich auf die Stirn. „Ich liebe dich.“
    „Ich liebe dich auch.“
    „Träum’ schön.“
    Als er die Tür behutsam hinter sich zuzieht, drücke ich mein Gesicht in die Kissen. Und auch dieses Mal saugen sie meine Tränen auf und verschlucken mein Schluchzen. Ich tränke sie mit meinem schlechten Gewissen. Immer und immer wieder. Das erschreckende ist, dass ich mich morgen wieder besser fühlen werde. So als wäre das mit dem Fremdgehen wie ein Kater, den man einfach gründlich ausschlafen muss. Das Schlimmste ist aber, dass die Entzugserscheinungen noch viel schrecklicher sind, als die Schuldgefühle.
    Etwa eine Stunde später höre ich Tobias Schritte langsam näher kommen. Ich liege auf der Seite und warte auf den Lichtkegel, der kurz auf der Wand erscheinen wird, wenn sich die Tür öffnet. Und da ist er. Und in dem Lichtkegel Tobias Schatten. Dann wird es dunkel. Er legt sich leise neben mich.
    Manchmal frage ich mich, ob er etwas ahnt. Ich frage mich, ob er Verdacht schöpft. Und in dieser Sekunde schießt mir die Frage durch den Kopf, ob er vielleicht auch eine andere hat und ich einfach nichts davon weiß. Ich frage mich, ob er manchmal mit denselben Gewissensbissen neben mir liegt. Und wenn es so wäre, dass wir uns beide unsere Gewissensbisse einfach sparen könnten, wenn wir es dem anderen einfach sagen würden. Doch ich kann es mir nicht vorstellen. Nicht Tobias. Das passt nicht zu ihm. Wobei man das von mir sicher auch sagen würde.
     
Kapitel 4  
    Mein Herzschlag ist wie ein schreckliches Techno-Lied, das nicht enden will. Ich schaue auf die Uhr. Noch vierundzwanzig Minuten. Bei diesem Gedanken wird das Techno-Lied schneller. Ich spüre, wie sich die Haut um meine Halsschlagader ausdehnt und wieder zusammenzieht. Der schwarze Kajal zittert unkontrolliert, als ich versuche, den Lidstrich zu ziehen. Ich atme tief durch. Anja, es ist nur ein Abendessen. Das kriegst du hin. Blödsinn. Ich scheitere ja schon am Schminken und das kann ich sonst im Halbschlaf. Wäre die Reflektion im Spiegel nicht ich, würde ich in diesem Augenblick lauthals lachen. Es wäre die Art von Lachen, bei der die Bauchmuskulatur sich zu

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