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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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seltsam. In fünf Minuten kommt mein Nachmieter. Ich werde ihm die Schlüssel geben und dann abhauen.
    In fünf Stunden geht mein Flug nach München. Danny fährt mich zum Flughafen. Und auch wenn er kein Wort wegen Claire gesagt hat, ich spüre, dass sie ihm alles erzählt hat. Und ich weiß, dass er mich dafür verachtet. Sagen wird er trotzdem nichts. Und dafür bin ich wirklich dankbar. Dieses Schweigen unter Männern. Wobei ich zugeben muss, dass all das, was nicht gesagt wird, manchmal fast noch schwerer ist, als alle Vorwürfe, die er mir machen könnte. Jetzt hat es geklopft.
    Ich liebe und hasse dich, Anja.
    Julian
     
Kapitel 39  
    Ich mag sein Lächeln. Es hinterlässt ein warmes, kuscheliges Gefühl. Wie ein warmes Schaumbad oder eine Fußmassage. Es ist aufrichtig und authentisch. Und nicht nur sein Lächeln ist aufrichtig und authentisch. Alles an ihm. Vielleicht ist es auch das Alter. Er ist ein Mann. So als wäre er bei sich angekommen und nicht mehr auf der Suche nach etwas. Er ist Mitte dreißig. Authentisch eben. Die Jeans, die Turnschuhe, das lässige T-Shirt, die schwarze Hornbrille, die seine warmen Augen umrahmt, die Lachfältchen. Er sieht gut aus und ist dabei kein bisschen eitel. Er ist ein Ruhepol, in sich gekehrt, ohne ein Einzelgänger zu sein. Ich mag ihn. Und ich habe ihn gleich gemocht. Seit dem Augenblick, als er vor vier Monaten verloren im diesem Korridor stand. Wenn er da ist, geht es mir gut. Vielleicht mag ich gerade das. Ich mag mich mit ihm. Und vielleicht mag ich am liebsten, dass er weiß, wer er ist. „Vielleicht haben Sie ja Lust auf einen Kaffee?“
    „Gerne, ich kann uns einen machen.“
    „Nein, ich meine nicht hier.“ Er wirkt verlegen. „Wenn wir hier einen Kaffee trinken, wäre das wie eine unserer Arbeitsbesprechungen.“
    „Wenn es keine Arbeitsbesprechung sein soll, was dann?“
    „Verstehe.“ Er geht einen Schritt rückwärts.
    „Nein, das habe ich nicht so gemeint“, sage ich und halte ihn am Arm fest. „Wir können gerne einen Kaffee trinken. Unten an der Ecke ist ein schönes Café.“ Ich schlucke. Und das klingt angestrengt. „Ich gehe dort öfter hin. Die haben auch sehr gute Croissants.“ Was rede ich denn da? Die haben sehr gute Croissants? Vielleicht mag er gar keine Croissants.
    „Croissants. Das klingt gut.“ Und da sind sie wieder, die Lachfältchen. Es fühlt sich an, als könnte ich seinen Herzschlag durch den Boden spüren. Vielleicht ist es aber auch meiner. „Wollen wir?“
    Es ist seltsam, aber die Vorstellung ihn nicht mehr zu sehen, mag ich nicht. Die vergangenen vier Monate haben wir uns fast täglich gesehen. Und ja, zugegeben, es ging hauptsächlich um die Arbeit, aber wir hatten gleich einen Draht zu einander. So, als wären wir verwandte Seelen. Vielleicht hätte ich das aber auch nur gerne. Egal ob nun verwandte Seelen, oder nicht, ich bin gerne mit ihm zusammen. Er hat so eine ruhige Aura. Ich halte ja nicht viel von der inneren Mitte, aber wenn ich jemanden kenne, auf den das zutrifft, dann ist es Herr Plöger. Er ist mir angenehm. Und das auf jede erdenkliche Weise. Er gehört zur Sorte Mann fürs Leben. Verlässlich, pünktlich, aufmerksam. Er hört zu. Und das mit dem ganzen Körper. In seinem Gesicht kann man verfolgen, was er gerade denkt. Gut, das macht ihn nicht gerade aufregend, weil er dadurch irgendwie transparent wirkt, aber andererseits ist dieses ganze Drama doch auch nicht wirklich von Dauer. Das ist spannend und alles, aber so was hält nicht.
    Wir steigen aus dem Aufzug und gehen durch die karge Eingangshalle. Meine Schritte klingen energisch und zielstrebig. Als wir wenig später das kleine Café betreten, hebt mein Dämon unvermittelt seinen Kopf. Es ist, als hätte Herrn Plögers Stimme ihn geweckt. Und ich denke, für einen Augenblick dachte er, die Stimme wäre die eines anderen. Und dieses neue Gesicht überrascht ihn. Und ich glaube nicht im positiven Sinne.
    „Ich überlege schon seit Wochen, ob ich Ihnen das Du anbieten soll, war mir aber nicht sicher, ob das unter Ihren Kollegen zu Tratscherei führen würde.“
    Sein Bein streift mich unter dem Tisch. „Das hätte es vermutlich“, sage ich und ziehe mein Knie ein zurück zur Seite.
    „Oh, entschuldigen Sie.“
    „Was?“
    „Na, mein Bein hat Sie eben gestreift.“ Er zeigt unter den Tisch. „Das war keine Absicht.“
    „Das macht nichts.“ Die Kellnerin bringt uns den Kaffee und schaut mich irritiert an. Sie hat mich vermutlich für

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