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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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mehr Kraus. Du heißt ganz anders. Und der einzige Weg, das herauszufinden, wäre, deine Mutter anzurufen, was nicht in Frage kommt, weil die dann augenblicklich zum Hörer greifen und dich anrufen würde und das ist nicht Sinn der Sache. Ich wollte schließlich erst einmal im Stillen nach dir suchen.
    Ich habe Kai angerufen und gefragt, ob er noch Kontakt zu Caro hat und ob du es glaubst oder nicht, die beiden sind noch zusammen. (Ich konnte es nicht fassen.) Da sieht man einmal mehr, dass ich mich die vergangenen drei Jahre wirklich um niemanden geschert habe. Und du dachtest, ich wäre vor meiner Zeit in New York ich-bezogen gewesen. Du hast ja keine Ahnung. Na jedenfalls habe ich dann mit Caro gesprochen und herausgefunden, dass du nicht viel besser warst als ich. Sie hat keine Ahnung, wo du bist und was du machst. Und falls du geheiratet hättest, wüsste sie es nicht, weil sie nicht eingeladen gewesen wäre. Deswegen kann sie sich das eigentlich nicht vorstellen. Hm. Ich kann mir das sehr gut vorstellen.
    In einem Anfall von Melancholie bin ich dann zu unserer alten Wohnung gefahren. Du weißt schon, zu der, aus der du mich hast ausziehen lassen, ohne vorher mit mir zu reden. Da wohnt jetzt ein älterer Kerl namens Lakcovic. Hat mir zu denken gegeben. Ich hätte gedacht, dass in diesem Haus nur junge Menschen leben. Wieder etwas, womit ich mich getäuscht habe. Ich frage mich auch, wie du das damals mit dem fehlenden Schlüssel hinbekommen hast, aber wie ich dich kenne, hast du einfach schamlos gelogen. Und während du gelogen hast, hast du dein Unschuldsgesicht aufgesetzt. Ich kann es mir bildlich vorstellen. (Leider muss ich zugeben, dass ich dieses Unschuldsgesicht immer atemberaubend fand und ich dir ganz bestimmt jede Lüge abgekauft hätte.)
    Ich stehe also vor unserer Wohnung und bin kurz davor, sie einfach aufzusperren, da geht plötzlich die Tür auf und besagter Herr Lakcovic (keine Ahnung ob man den so schreibt), steht in Birkenstocks und Bademantel vor mir.
    Ich war dann zwei Stunden bei ihm. Wir haben uns auf unserem alten Balkon unterhalten und einen Espresso getrunken. Von Espresso hat der Typ echt Ahnung. So einen starken Kaffee habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getrunken.
    „Anja?“
    Ich schrecke hoch. „Ja?“
    „Er hat jetzt kurz Zeit.“
    Ich nicke, falte den Brief zusammen und stehe auf. Während ich Andreas’ Sekretärin folge, schnurrt mein Dämon zufrieden. Er findet gut, was ich tue. Und es beruhigt mich, wie friedlich er ist. Ein glücklicher Dämon ist wirklich viel wert.
    „Herr Heinburg, Frau Plöger ist da.“
    „Kann reinkommen...“ Seine Sekretärin tritt einen Schritt zu Seite. „Ach ja und Frau Scheurer, bringen Sie uns doch bitte zwei Cappuccino.“ Sie nickt, dann verschwindet sie lautlos im Flur und schließt die Tür. „Anja, bitte setz dich.“ Ich nehme Platz und stelle meine Tasche auf den Boden. „Tut mir leid, dass du so lange warten musstest, aber du kennst das ja, wir haben alles, außer Zeit.“ Er lacht sein schales Lachen. „Ich denke, ich weiß schon, worüber du mit mir reden möchtest und ich gebe dir recht, ich denke auch, dass es an der Zeit ist.“
    „Andreas, ich...“, sage ich vorsichtig, doch bevor ich weitersprechen kann, klopft seine Sekretärin an die Tür und tritt ein. Sie stellt zwei Tassen Cappuccino, eine Zuckerdose und ein winziges Tellerchen mit noch winzigeren Plätzchen zwischen uns auf den Tisch. Ich frage mich, wie sie das so schnell gemacht hat und lächle sie an. „Vielen Dank.“
    „Gerne.“ Ihre Stimme klingt wie die eines Roboters. „Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?“
    „Danke, Frau Scheurer, das wäre alles.“ Sie lächelt unterkühlt, dann schließt sie dir Tür. „Also, Anja, dann lass’ uns reden.“ Er zieht eine der Tassen näher an sich heran und wirft drei Zuckerstückchen in den Schaum. „Ich weiß, das kommt spät, aber du hast es dir verdient, endlich die Anerkennung zu bekommen, die dir zusteht. Vor allem nach Genf. Gratulation noch einmal, das hast du fantastisch gemacht.“ Ich nicke und lächle. Ist ja auch nur ein Jahr her. „Anja, wir möchten dir die Partnerschaft anbieten.“
    Einen Augenblick sage ich nichts. Mein grauenhaft langweiliges Sicherheitsbedürfnis überlegt krampfhaft, ob es weise wäre, so ein Angebot abzuschlagen. Bei diesen Gedanken hebt mein Dämon sein Haupt. Und ich weiß, was dieser Blick zu bedeuten hat. Er sagt, dass ich mich lange genug habe vertrösten

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