434 Tage
mich an.
Ich seufze. „Über Vieles.“
„Dann sag’ mir das Wichtigste davon.“
„Es gab seit Jahren niemanden.“ Und erst nachdem ich es ausgesprochen habe, fällt mir auf, wie armselig das klang. Und als wäre armselig noch nicht genug, es war wie eine ziemlich schlecht kaschierte Einladung zum Sex. So nach dem Motto, lass uns den Nachtisch doch ins Bett verlegen. Ich trinke den letzten Schluck Wein und schüttle den Kopf. „Also es gab natürlich nicht niemanden, aber eben niemanden, der wichtig gewesen wäre.“
„Bei mir auch nicht.“ Tobias schenkt uns Wein nach. „Wenn ich ehrlich bin, gab es eigentlich nie wirklich jemanden.“
„Nie?“, frage ich erstaunt.
„Na ja, da war Claudia, aber wirklich geliebt habe ich sie nicht. Sie war mir wirklich wichtig und alles, und ich dachte auch, dass ich sie liebe, aber irgendwas hat gefehlt.“ Hm. Das hätte ich nicht gedacht. Tobias scheint das Paradebeispiel für den perfekten Partner. Wie kann er dann noch nie geliebt haben? „Bei dir scheint es jemanden gegeben zu haben.“
„Ja, aber das ist lange her.“
„Wie lange?“ Er versucht, nicht zu neugierig zu klingen.
„Wir haben uns vor etwas über zwei Jahren getrennt.“
„Und wie lange wart ihr zusammen?“
„Fünf Jahre.“
„Oh, wow.“ Er greift nach seinem Glas. „Das klingt nach der großen Liebe.“
„Ja, das war es auch“, sage ich nachdenklich. „Zumindest dachte ich das.“
„Was ist passiert?“
„Eigentlich nichts...“, antworte ich seufzend. „Wir wollten in verschiedene Richtungen.“
„Habt ihr noch Kontakt?“
„Nein.“
„In zwei Jahren nicht ein einziges Mal? Ich meine, ihr habt euch nicht einmal zufällig getroffen?“
„Er ist nach New York gegangen.“
„Verstehe.“ Wir schauen uns lange in die Augen. Er hat schöne Augen. Sie sind gütig und wach. „Hättest du denn gerne noch Kontakt zu ihm?“
Ich schüttle den Kopf und während ich das tue, schlägt mein Dämon um sich. „Es ist nicht gut auseinander gegangen. Ich glaube, wir hätten uns nichts mehr zu sagen. Nicht einmal Gemeinheiten.“
Er lächelt sein warmes Lächeln. „Und hier waren ihm wohl die Möglichkeiten zu begrenzt? Beruflich meine ich.“
„Ich weiß nicht, warum es unbedingt New York sein musste. Keine Ahnung.“
„Und was macht er dort genau?“
„Wie gesagt, wir haben seit Jahren keinen Kontakt zueinander. Er ist damals für ein Praktikum in die Staaten gegangen. Ich nehme an, er ist Anwalt geworden.“
„Anwalt?“ Tobias klingt überrascht. „Versteh’ mich bitte nicht falsch, aber das passt gar nicht zu dir.“
„Zu ihm hat es auch nicht gepasst.“
„Und wie heißt er?“
„Julian.“ Und als ich seinen Namen zum ersten Mal seit zwei Jahren laut ausspreche, schreckt mein Dämon hoch. Und sein Schmerz ist mein Schmerz.
Kapitel 42
Ich spüre seinen Körper. Sein Gewicht drückt mich in die weiche Matratze. Ich frage mich, ob es zu früh ist. Aber es sind bereits vier Wochen. Was würden noch zwei für einen Unterscheid machen? Wir haben uns fast jeden Tag gesehen. Ich mag ihn. Ja, zugegeben, es sind keine Explosionen und da sind keine Eichhörnchen, aber es ist schön. Ich fühle mich geborgen und sicher. Aber gleichzeitig fühlt es sich so an, als würde ein Teil in mir gerade sterben. Vielleicht ist es die Hoffnung. Der naive Wunsch in mir, dass Julian und ich doch zusammengehören. Tränen laufen über mein Gesicht.
Tobias schaut mich an. Die Falten auf seiner Stirn sagen mir, dass er sich Vorwürfe macht. Mit den Daumen streicht er sanft über meine Wangen. „Vielleicht ist das ein Fehler“, flüstert er. „Ich hätte...“
„Ist es nicht“, unterbreche ich ihn, während immer neue Tränen über mein Gesicht laufen und in meinem Haar versickern.
„Bist du sicher?“
„Ja, bin ich.“ Als er Luft holt, um etwas zu entgegnen, nehme ich sein Gesicht zwischen meine Hände und küsse ihn. Einen Moment zögert er, doch dann spüre ich ihn wieder. Ich konzentriere mich auf die Bewegungen und auf unsere Körper, die eine Einheit bilden. Es ist wie eine Befreiung. Eine Befreiung von der Vergangenheit. Und in diesem Augenblick kapituliert mein Dämon. Julian ist Geschichte. Es ist endlich vorbei.
…
„Du siehst wunderschön aus.“
Ich lächle verkrampft. „Wirklich?“
„Ja, wirklich.“ Meine Mutter nimmt mich bei der Hand. „Es ist normal, nervös zu sein.“
„Was, wenn es ein Fehler ist?“, frage ich
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