434 Tage
vielleicht nicht alle, aber die meisten. Frauen Ende zwanzig sind bösartige biologische Bomben, die beim Abendessen aus heiterem Himmel detonieren.
Larissa ist toll. Sie ist aufregend und schön und kreativ. Ich könnte noch ein paar Jahre mit ihr verbringen. Ich würde Ausstellungen mit ihr besuchen und mit ihr schlafen. Ich würde mit ihr essen gehen und ich würde mich sogar darauf einlassen, ein weiteres Weihnachtsfest bei ihren Eltern zu verbringen. Aber ich würde sie nie heiraten. Und ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, Kinder mit ihr zu zeugen. Und da ist sie wieder, die gemeine Fratze der Ehrlichkeit, vor der ich versucht habe, mich zu verstecken. Larissa war eine tolle Lebensabschnittspartnerin. Sie war gut im Bett und sie hatte einen (relativ) guten Humor. Aber tagein tagaus mit ihr – und das auch noch mit dem ganzen Affentanz einer pompösen Hochzeit mit gravierten Ringen und Eheversprechen? Nein. Ganz sicher nicht.
Sie sitzt mir also gegenüber und redet und redet. Und plötzlich höre ich mich sagen: „Larissa, ich werde dich nicht heiraten.“ (Sie schweigt. Diese unverschnörkelte Ehrlichkeit scheint ihr die Sprache verschlagen zu haben) „Ich werde dich weder jetzt noch wann anders heiraten.“ (Sie weint. Und bei ihr wirkt das wie ein Druckmittel, so als wollte sie mich mit ihren Krokodilstränen weich kochen. Als würden sie mich bestimmt dazu bewegen, es mir anders zu überlegen. So als würde der Anblick ihrer traurigen Augen mich dazu bringen, ihr die Kleider vom Körper zu reißen und auf der Stelle ein Kind mit ihr zu machen.) „Wir haben nie darüber geredet und hätte ich gewusst, dass du dir das wünscht, hätte ich dir schon vorher gesagt, dass das von meiner Seite nicht passieren wird. Ich will nicht heiraten und Kinder will ich auch keine. Wenn es das ist, was du willst, bin ich nicht der Richtige.“ Dann noch mehr Tränen und die Frage, ob ich generell nicht heiraten will, oder ob ich nur sie nicht heiraten will. Und dann, ob ich mir vorstellen könnte, mit einer anderen Kinder zu haben. Was soll ich darauf sagen? Die Wahrheit etwa? Bloß nicht. Sie hatte schließlich ein frisch gewetztes Steak-Messer in Reichweite. Also versuche ich es auf die versöhnlich-diplomatische Tour. Ich sage ihr, dass ich nicht weiß, was die Zukunft bringt, aber dass ich momentan weder das eine noch das andere will und dass ich ihr nicht sagen kann, ob sich das jemals ändert. Diplomatischer Ansatz hin oder her. Sie rastet aus. Und wie.
Ich erspare dir die Einzelheiten. Nur so viel: Es war nicht schön. Es war laut und hysterisch und anstrengend. Sie hat theatralisch ihre Sachen gepackt und ist in der lauen Dunkelheit dieser Julinacht verschwunden. Und auch wenn es hart klingt, ich war erleichtert. So richtig erleichtert. Anja, ich dachte, ich schwebe buchstäblich über dem Fußboden.
Und weil ich Larissa nicht wirklich traue (sie hat mir so manche Schauergeschichte erzählt, was sie ihrem Exfreund nach der Trennung angetan hat – und natürlich beteuert, dass sie das mit mir NIE machen würde (haha) – habe ich gleich nach ihrem dramatischen Abgang den Schlüsseldienst gerufen. Eine Stunde und 190 Euro (!!) später habe ich ein neues Schloss. Ich sitze hier wie in Fort Knox. Und ich denke, das war gut so, denn vor einer Stunde (also um halb vier morgens) höre ich, wie sich jemand an der Tür zu schaffen macht. Ich saß währenddessen auf dem Sofa und war glücklich darüber, dass du mir beigebracht hast, Frauen aufmerksam zuzuhören. Hätte ich das nicht getan, wären die Horror-Geschichten vielleicht an mir vorbei gegangen und sie hätte mich im Schlaf erstochen.
Anja, ich hatte gehofft, dass Larissa die Frau ist, die dich von deinem Thron stößt. Aber sie war es nicht. Nicht einmal einen Tag lang.
Ich denke an dich und ich hoffe, dass es dir gut geht.
Alles Liebe,
Julian
Ich lege den Brief zur Seite und lächle. Einmal abgesehen von der Eifersucht und der grimmigen Miene meines Dämons, war dieser Brief richtig lustig. Für ihn war es sicher nicht lustig, aber er schafft es mit seiner Art, mich zu fesseln. Wenn Julian Geschichten erzählt hat, konnte ich nicht nicht zuhören. Keiner kann das so wie er.
Ich nehme einen Schluck Pfirsichsaft. Und als ich gerade nach dem nächsten Brief greifen will, entdecke ich in der Ferne meine Mutter.
…
„Dann war es wohl doch ein Fehler.“
„Was meinst du?“
„Na, bei eurer Hochzeit hast du mich gefragt, ob es ein Fehler
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