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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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ein vernünftiges Leben und eine vernünftige Ehe. Die Anja, die ich kenne, ist spontan und lebenshungrig. Meine Anja genießt die Stille, wenn alle anderen schlafen. Meine Anja wollte morgens nie aufstehen. Und neben mir liegt genau diese Anja. Meine Anja. Die Anja, die ich nie vergessen konnte. Und wenn ich dich so ansehe, weiß ich genau, warum. Du bist du. Und keine Frau wird je deinen Platz haben. Deine langen Haare umrahmen dein Gesicht. Deine blasse Haut duftet nach einer Zeit, die ich erbittert versucht habe, hinter mir zu lassen. Vielleicht wird irgendwann einmal eine andere Frau Nahe genug an dich herankommen, damit ich dich verdrängen kann. Doch vergessen werde ich dich nie. Auch, wenn du die Augen öffnest und mir noch einmal sagst, dass das ein Fehler war. Das wird wehtun. Und vielleicht stimmt es sogar. Doch diese Nacht hat mir gezeigt, dass du noch da bist. Dass in dieser vernünftigen Hülle noch immer die Anja steckt, die ich liebe.
    Deine Augen bewegen sich unter deinen Lidern hin und her. Du träumst. Und ich wünschte, ich könnte sehen, was du siehst. Und dann sehe ich seinen Ring an deinem Finger. Ich hasse diesen Ring. Du bist rechtmäßig seine Frau. So als wärst du sein Eigentum. Warum musstest du den Typen denn gleich heiraten?
    Und warum heißt er ausgerechnet Plöger? Sven Plöger war immer mein absoluter Lieblings-Meteorologe. Und jetzt denke ich plötzlich an einen Mann, den ich aus Prinzip hassen muss. Bis gestern hatte ich beim Namen Plöger Svens freundlich, zurückhaltendes Lächeln im Kopf und die Art, wie er Tschüß sagt. Und jetzt sehe ich da eine abscheuliche Architekten-Fratze.
    Vielleicht wirst du bald die Augen öffnen und wissen, dass es nur eine Nacht war. Eine Nacht, die nichts zu bedeuten hat, weil du deinen Mann liebst. Ein Fehler eben. Ein Ausrutscher. Wenn es so ist, werde ich es in deinen Augen erkennen. Dann ist es wenigstens endlich vorbei. Dann muss ich mich nicht mehr fragen, was gewesen wäre wenn, denn dann weiß ich, dass es kein wenn gibt. Und das bist du mir schuldig, auch, wenn du es gar nicht weißt.
    Du hast mich verlassen, ganz gleich, wie du dir das in deinem Kopf zurecht gelogen hast. Du hast mich verlassen, um nicht von mir verlassen zu werden. Du denkst, dass ich mich gegen dich entschieden habe, obwohl du dich gegen mich entschieden hast. Aus Angst. Du hast Entscheidungen oft aus Angst getroffen. Und Entscheidungen aus Angst sind nie die richtigen. Sie verkleiden sich als tolle Alternative, sind aber meistens doch nur traurige Notlösungen.
    Ich streiche dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachte deine Lippen. Ich hätte mit diesem Kuss wirklich nicht gerechnet. Obwohl ich es eigentlich hätte wissen müssen. Denn wenn es darauf ankam, hattest du nie Angst. In diesen Momenten hast du nicht gedacht. Zumindest nicht mit dem Kopf. Du hast deinem Dämon die Entscheidung überlassen. Und mit diesem Kuss weiß ich, dass es ihn noch gibt. Und das ist ein wirklich beruhigender Gedanke.
    Was auch passiert, Anja Kraus, du bist die Frau meines Lebens.
    Ich liebe dich (wieder und noch immer).
    Julian
    Schwere Tränen laufen über meine Wangen. Wir waren beide zu stolz. Ich hatte mein festes Bild von ihm und genauso wollte ich ihn sehen. Genauso musste er sein, damit ich mir einreden konnte, dass es ein Fehler wäre, Tobias zu verlassen. Ich habe es verlernt, in seinen Augen zu lesen und mich von dem blenden lassen, was er mir gezeigt hat. Natürlich haben wir geredet. Aber eben nicht darüber. Nicht über uns. Und ja, ich habe gelernt, ihm wieder zu vertrauen, aber eben nur bis zu dieser unsichtbaren Grenze. Nicht bedingungslos. Ich lege den Brief zur Seite und greife nach meinem Handy. Meine Finger sind steif und unbeweglich. Julian hat meine Fassade durchschaut. Er hat sich nicht von ihr täuschen lassen. Ich frage mich, ob ich wirklich um diese Zeit anrufen soll. Es ist fast halb fünf. Vielleicht sollte ich nicht. Vielleicht ist es unvernünftig.
    …
    Frustriert lege ich das Handy beiseite. Mein Dämon tröstet mich. Er ist zufrieden, weil ich es zumindest versucht habe. Ich greife seufzend nach dem letzten Brief. Und ein Teil in mir ist traurig, dass es danach keinen weiteren geben wird. Auf dem Umschlag steht. Letzter Brief und in Klammern, eigentlich der vorletzte, weil der erste der letzte war.
    Ich atme tief ein, dann fange ich an zu lesen.
    Liebe Anja,
    jetzt weißt du es. Alles. Du weißt, dass ich dich liebe. Und du weißt, dass ich nie

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