44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
mich, Señor Sternau, Sie kennenzulernen. Sie sind, wie man mir bereits sagte, ein Deutscher?“
„Ja.“
„Ich liebe die Deutschen. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen meine Tochter Josefa vorstelle.“
Sternau wechselte mit der Dame eine Verbeugung und wurde dann von ihr und ihrem Vater in die Mitte genommen und nach einer Bank geführt, die sich rund um das Zimmer zog. Dies geschah so auffällig, daß Sternau sogleich ahnte, daß ein Verhör beginnen werde. Er hatte sich nicht geirrt, denn kaum hatte er sich zwischen den beiden auf der Bank niedergelassen, so begann Cortejo:
„Ich höre, daß Sie nach der Hacienda del Erina wollen, Señor Sternau?“
„Vielleicht“, antwortete Sternau lakonisch, denn es war ihm außerordentlich unlieb, daß der Lord diese seine Absicht verraten hatte.
„Darf ich fragen, zu welchem Zweck?“
„Ich will Mexiko und seine Bewohner kennenlernen. Daher werde ich auch den Norden des Landes bereisen. Als dies der Lord erfuhr, bat er mich, mir die Besitzung del Erina einmal anzusehen, da es sein Wunsch war, sei anzukaufen.“
„Ach so!“ meinte Cortejo befriedigt. „Ich habe in del Erina einen renitenten Pächter, der behauptet, die Hacienda sei sein Eigentum. Lächerlich! Wie es scheint, reisen Sie viel?“
„Allerdings.“
„Dann sind Sie zu beneiden!“ sagte Josefa mit liebenswürdig sein sollender Miene. „Ein Mann, der vollständig Herr seiner Zeit ist, ist glücklich zu preisen. Welche Länder haben Sie bereits besucht, Señor Sternau?“
„Amerika, Afrika und einen Teil von Asien.“
„Und Europa?“
„Da bin ich geboren!“ lächelte der Gefragte.
„Ja, richtig, das nennt so ein Weltläufer nicht eine Reise. Kennen Sie Frankreich?“
„Ja.“
„Vielleicht auch Spanien?“
„Ich war auch da.“
Josefa tauschte mit ihrem Vater einen schnellen Blick des Einverständnisses und sagte weiter:
„Spanien ist unser Mutterland, für das wir uns natürlich am meisten interessieren. Darf ich erfahren, welche Provinz oder Städte Sie kennen?“
Sternau nahm seine gleichgültigste Miene an und sagte:
„Ich war nur kurze Zeit in diesem schönen Land. Ich bekam als Arzt einen Ruf zu einem Grafen Rodriganda, um ihn von einem Übel zu befreien.“
„Rodriganda? Ach, wissen Sie, daß dieser Graf auch hier Besitzungen hat?“
„Ja.“
„Und daß mein Vater Verwalter dieser Besitzungen ist?“
Sternau heuchelte ein sehr erstauntes Gesicht.
„Ach, ist das möglich, Señor Cortejo?“ rief er. Und dann setzte er, wie sich besinnend, hinzu: „Es gibt auch in Rodriganda einen Señor Cortejo. Sie sind vielleicht verwandt mit ihm?“
„Er ist mein Bruder.“
„Das freut mich sehr, Señor, denn ich bin mit Señor Gasparino sehr oft zusammengetroffen.“
„Er ist nicht sehr umgänglich.“
„Das habe ich nicht gemerkt. Wir haben uns im Gegenteil sehr gut kennengelernt.“
Josefa biß sich erzürnt auf die Lippe, denn sie verstand den Doppelsinn dieser Worte nur zu gut, dennoch sagte sie in ihrem freundlichsten Ton:
„Wollte Gott, Sie hätten unseren guten Grafen Emanuel retten können, Señor.“
„Ja, ich gäbe vieles, sehr vieles darum, Señorita.“
„Woran starb er? Ich glaube, an einem unglücklichen Fall?“
„Ja, dieser Fall war allerdings ein sehr unglückseliger.“
Auch in diesen Worten lag ein Doppelsinn, den Cortejo und seine Tochter gar wohl verstanden.
„So haben Sie doch auch Gräfin Rosa kennengelernt?“ forschte Josefa eifrig weiter.
„Gewiß. Sie ist jetzt meine Frau.“
Sternau war überzeugt, daß beiden dies bereits bekannt sei, trotzdem sie sich den Anschein der allerhöchsten Überraschung gaben.
„Was Sie sagen, Señor!“ rief nämlich Cortejo, und Josefa fragte: „Ist das denn möglich?“
„O, der Liebe ist alles möglich, Señorita“, lächelte Sternau. „Man mag in Spanien allerdings etwas strenger auf die Abgeschlossenheit des Standes halten als in meinem Vaterland. Wir aber sind in letzterem vermählt worden.“
„So hat Contezza Rosa ihr Vaterland verlassen?“
„Ja.“
„Und Graf Alfonzo gab dies zu?“
„Er hat es nicht gehindert“, antwortete Sternau gleichgültig. „Sie kennen Graf Alfonzo auch?“
„Natürlich! Er war ja seit seiner frühesten Jugend bei uns in Mexiko.“
„Ja, wirklich, ich dachte nicht daran.“
„Es wurde uns geschrieben, daß Contezza Rosa gefährlich erkrankt sei.“
„Sie ist vollständig geheilt, Señorita. Aber entschuldigen Sie! Dort winkt mir Lord
Weitere Kostenlose Bücher