44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
sogar bitten, mein Zeuge zu sein.“
„Und was gedenken Sie mit den Gefangenen zu tun, Señor?“
„Ich habe ihnen versprochen, ihr Leben zu schonen, falls sie ein offenes Geständnis ablegen; sie haben dies getan, und nun ist es meine Pflicht, mein Wort zu halten.“
„Hm, das ist nicht vorsichtig. Diese Kerls haben den Strick verdient. Werden sie ohne Strafe entlassen, so sind Sie Ihres Lebens ja gar nicht mehr sicher.“
„Das sage ich auch, aber ich habe mein Wort noch nie gebrochen und werde es auch jetzt nicht tun. Vielleicht macht meine Nachsicht einen bessernden Eindruck auf sie.“
„Dies glaube ich nicht; auf diese Art von Menschen macht Liebe keinen Eindruck, da sie die Milde doch nur für Schwäche halten. Aber Sie haben leider Ihr Wort einmal gegeben, und so ist nichts daran zu ändern.“
Sie langten eine bedeutende Weile später auf der Hacienda an, als der Kapitän und Pardero. Der erstere befand sich im Lager der Soldaten und sah sie kommen. Er runzelte die Stirn. Daß der Leutnant sich in Sternaus Gesellschaft befand, war ihm im höchsten Grad unangenehm, ja bedenklich; darum trat er ihm mit finsterer Miene entgegen und fragte:
„Leutnant, wo waren Sie?“
„Spazieren“, lautete die Antwort.
„Hatten Sie meine Erlaubnis?“ klang es drohend.
„Bedarf ich derselben?“ fragte der Offizier scharf.
„Ich denke. Wir befinden uns nicht in Garnison, sondern auf dem Marsch.“
„Ich meine, daß wir uns nicht auf dem Marsch, sondern im Biwak befinden, Kapitän.“
„Diese Unterscheidungen sind hier nutzlos, Leutnant. Sie haben um Urlaub anzufragen, sobald Sie die Absicht haben, sich zu entfernen.“
Der junge Offizier errötete, aber nicht vor Scham, sondern vor Unwillen. Die Lanzenreiter standen umher und konnten jedes Wort hören, welches gesprochen wurde.
„Dies hätte ich nur dann zu tun“, antwortete er, „wenn ich die Absicht hätte, zu verreisen, oder mich während einer Zeit zu entfernen, welche den dienstlichen Angelegenheiten gewidmet sein soll. Gegenwärtig aber habe ich ebenso einen Spaziergang gemacht wie Sie und Leutnant Pardero. Was dem einen gestattet ist, muß auch dem anderen erlaubt sein. Sie werden mir da wohl recht geben?“
Der Kapitän reckte sich zu seiner vollen Höhe empor.
„Señor, wissen Sie, was Widersetzlichkeit zu bedeuten hat?“ rief er drohend.
„Das weiß ich genausogut wie Sie, Señor; aber von Widersetzlichkeit ist hier keine Rede. Es handelt sich um eine einfache Meinungsverschiedenheit, welche in ruhiger und anständiger Weise ausgeglichen werden kann. Es versteht sich doch ganz von selbst, daß ein Offizier sich vor den Augen der Mannschaft nicht grundlos maßregeln lassen kann!“
Die Augen des Kapitäns blitzten vor Wut. Er trat einen Schritt näher, streckte die Hand aus und gebot:
„Geben Sie Ihren Degen ab, Leutnant! Sofort!“
Der Leutnant war zwar noch jung, aber doch ein furchtloser Mann. Er vermochte sich so zu beherrschen, daß er lächelnd sagen konnte:
„Meinen Degen? Pah! Den haben Sie nicht zu verlangen!“
„Ich bin Ihr Vorgesetzter!“
„Gewesen! Sie sind ein Schurke, ein großer, ein ausgefeimter Bösewicht. Es wäre für mich die größte Schande, wenn Sie meinen ehrlichen Degen nur anrührten!“
Diese Worte waren mit erhobener Stimme gesprochen worden, so daß sie von sämtlichen Soldaten verstanden werden konnten. Die amerikanische Disziplin ist eine andere als die preußische zum Beispiel. Als die Lanzenreiter die fürchterliche Anschuldigung vernahmen, schlossen sie sofort einen Kreis um die Offiziere. Pardero stand auch dabei, und Sternau hielt nach der Seite des mutigen, jungen Leutnants, so daß er sich also mit den drei Offizieren in der Mitte des Kreises befand.
Der Schimpf, welcher in den letzten Worten lag, war so groß, daß der Kapitän für den ersten Augenblick gar keine Worte zur Entgegnung fand, dann aber riß er den Revolver aus dem Gürtel, zielte auf den Leutnant und rief mit donnernder, aber vor Wut zitternder Stimme:
„Widerrufen Sie sofort, oder ich schieße Sie nieder.“
„Widerrufen? Nein. Ich wiederhole, was ich sagte“, lautete die furchtlose Antwort.
Da wollte der Kapitän wirklich losdrücken, aber in demselben Augenblick gab Sternau seinem Pferd die Sporen; es schoß in einer kräftigen Lancade an dem Kapitän vorüber, und dieser erhielt dabei von Sternau einen solchen Faustschlag, daß er augenblicklich zusammenbrach.
„Was ist das? Was wagen Sie?“ rief da
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