44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
Pardero.
„Nichts!“ antwortete Sternau. „Höchstens wage ich, meine Hand zu besudeln.“
„Ja“, rief der junge Leutnant seinem Kameraden zu, „ich erkläre auch Sie für einen Schurken, an dessen Berührung man sich nur besudeln kann!“
Pardero wurde bleich, entweder vor Ärger oder vor Angst oder aus allen beiden Gründen.
„Sie phantasieren wohl?“ rief er.
„Nein, ich bin im Besitz meiner Besinnung, ja sogar eines vollen moralischen Bewußtseins, was bei Ihnen nicht der Fall ist.“
„Ah, Sie mögen daran denken, daß ich Ihr Vorgesetzter bin. Sie sind der jüngste Offizier!“
„Sie sind mein Vorgesetzter nicht mehr. Ich diene keinen Augenblick länger mit Ihnen.“
„Ah, Sie treten aus?“
„Das wird sich finden. Entweder trete ich aus, oder Sie beide.“
„Sie vergessen, daß man nicht so leicht und schnell auszutreten vermag“, lächelte Pardero höhnisch. „Zunächst verhafte ich Sie wegen Subordination, und auch Señor Sternau ist wegen Körperverletzung ein Gefangener!“
„Meinen Sie?“ fragte Sternau. „Sie Wurm hätten das Geschick, mich gefangen zu nehmen. Kommen Sie einmal her.“
Pardero stand in seiner unmittelbaren Nähe; das war eine Unvorsichtigkeit von ihm, denn Sternau langte zu, faßte ihn beim Kragen, riß ihn zu sich empor und schmetterte ihn darauf mit solcher Gewalt zu Boden, daß er liegen blieb. Das war den Lanzenreitern denn doch zu viel. Der alte Wachtmeister der Truppe trat hervor, salutierte vor dem Leutnant und fragte:
„Señor Leutnant, dürfen wir erfahren, was dies alles zu bedeuten hat?“
Der Gefragte nickte ihm freundlich zu und sagte:
„Bartholo, wer ist euch der liebste Offizier? Sage es aufrichtig!“
„Hm, Sie, Herr Leutnant; das wissen Sie. Wir hätten sonst wahrlich nicht so ruhig zugesehen, daß Señor Verdoja und Señor Pardero von Ihnen in dieser Weise insultiert wurden. Und von einem Zivilisten erst recht nicht.“
„Nun gut, Bartholo, so will ich dir sagen, daß diese beiden Señores ganz und gar infam gehandelt haben. Sie haben sich mit Räubern und Mördern verbunden, um ehrliche Leute zu morden und brave Damen zu beleidigen.“
„Ist das wahr, Señor?“
„Ja, du kannst es glauben. Wir haben heute morgen ein Duell gehabt; dabei sind sie um ihre rechten Hände gekommen; das war ein Gottesgericht. Und eben jetzt war ich mit diesem Señor draußen im Wald, um sie zu belauschen. Sie sind nicht wert, brave, mexikanische Lanzenreiter zu befehligen. Ich diene nicht unter ihnen weiter.“
„Caramba, Señor, da trete ich auch aus!“ meinte der Alte.
„Das ist nicht nötig, Bartholo. Du bist ein altgedienter Haudegen und weißt genau, was sich schickt. Ich meine, wir untersuchen den Fall und bestimmen dann, wer auszutreten hat, sie beide oder ich.“
„Das ist wahr, Señor Leutnant“, meinte der Wachtmeister, indem er sich den Schnauzbart strich. „Müssen Sie austreten, dann trete ich mit aus, und ich glaube, es löst sich die ganze Schwadron auf. Werden aber diese beiden, denen wir ja alle nicht grün sind, zum Teufel gejagt, so sind Sie Kapitän.“
„Und du wirst Oberleutnant. Die anderen folgen nach, ganz nach der Reihenfolge.“
„So meinen Sie also, wir konstituieren ein Kriegsgericht?“
„Nein, denn ihre Verbrechen sind keine militärischen. Ich meine ein Ehrengericht.“
„Gut. Nehmen wir ihnen die Waffen ab?“
„Das versteht sich.“
„Fesseln?“
„Nein. Aber sie sind einstweilen Arrestanten und werden in einem Zimmer der Hacienda bewacht. Das Gericht wird im Hof abgehalten, wo die ganze Schwadron es hören kann. Sie sind besinnungslos. Laß sie einschließen und bewachen, und dann kommst du herauf zu mir, um bei der Voruntersuchung zugegen zu sein.“
Es war ein Glück, daß der junge Leutnant die Liebe seiner Untergebenen in diesem Maß besaß, sonst wäre der Ausgang dieser gefährlichen Szene sicherlich ein ganz anderer gewesen. Wie zwei Helden hielten er und Sternau in der Mitte der halbwilden Soldateska; auf seinen Wink wurden den beiden Bewußtlosen die Waffen genommen, und dann schaffte man sie in ein kleines Zimmer, dessen Tür und Fenster bewacht wurden.
Nun begaben sich die beiden hinauf in den Saal, wo sie erzählten, was sie erlebt hatten. Mariano bestand darauf, daß das Ehrengericht in Anwesenheit der Bewohner der Hacienda gehalten werde, und daß die beiden Gefangenen unter Aufsicht einiger kräftiger Vaqueros vorgeführt werden sollten. Beides wurde zugestanden, und dann
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