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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Avranches, hier in diesem Haus?“ fragte der Maler.
    „Hier in diesem Haus habe ich heute nacht geschlafen, hier in diesem Zimmer trinke ich soeben ein Glas Rum, und hier in Avranches will ich Kohlen einnehmen, damit meine Jacht weiterdampfen kann.“
    „Ihre Jacht? So sind Sie gestern nachmittag hier angekommen?“
    „Ja.“
    „Da hätte ich mir meine Depesche ersparen können!“
    „Welche Depesche?“
    „Ich telegraphierte an Frau Sternau, um zu erfragen, wo sich Doktor Sternau befindet.“
    „Ach, wunderbar. Was antwortete sie?“
    „Daß er wahrscheinlich in England sei, sie weiß aber nicht, wo. Ich sah die Jacht in die Bucht laufen. Hätte ich gewußt, daß Sie an Bord waren, so wäre ich mit Dampfgeschwindigkeit den Berg hinuntergerannt.“
    „Den Berg? Ah, Sie standen oben auf der Höhe?“
    „Ja.“
    „Sapperlot, das hätte ich wissen sollen! Wir sahen einen Herrn und eine Dame –“
    „Das war ich!“
    „Die hatten sich gepackt und umschlungen, als ob kein Mensch in der Nähe wäre.“
    „Ja“, wiederholte Otto lächelnd, „das war ich. Wir sahen, als die Jacht kaum Anker geworfen hatte, zwei Männer an das Land und in die Stadt gehen.“
    „Das war ich.“
    „Und der andere?“
    „Ha!“ antwortete Helmers mit einem fröhlichen Spiel seiner Mienen. „Das war der Eigentümer der Jacht.“
    „Er war gerade wie Sternau gebaut.“
    „Glaube es. Er heißt auch so.“
    „Was? Wie?“ rief Otto rasch. „Das ist doch nur ein Zufall!“
    „Nein“, meinte Helmers mit einem lustigen Augenzwinkern, „der Name eines Mannes ist niemals Zufall. Ein Zufall ist es eher, daß wir gerade hier in Avranches Kohlen einnehmen. Wir hätten dies auch in Cherbourg, Morlaix oder Brest tun können. Aber jedenfalls ist es nur nicht nötig, daß Sie den Herrn Doktor Sternau in England suchen!“
    „Mein Gott! Ist's wahr? Ist er hier, er selbst?“
    „Freilich“, lachte Helmers. „Die Jacht ist ja sein.“
    „Wo ist er? Schnell! Wo finde ich ihn?“
    „Auch er wohnt hier im Haus. Er ist erst spät schlafen gegangen und wird wohl noch im Bett – o nein, da kommt er ja.“
    In diesem Augenblick hatte sich die Tür geöffnet, und Sternau trat ein. Er erkannte den Freund, der ihm entgegeneilte, sofort und öffnete seine Arme, ihn zu empfangen.
    „Otto, du hier?“ fragte er.
    „Ja, Karl. Welch ein Zufall! Welch ein Glück! Ich habe gestern nach dir telegraphiert, und heute triffst du hier ein. Das muß Gottes Schickung sein!“
    „Du wohnst in diesem Haus?“
    „Ja.“
    „So hättest du mich bereits gestern sehen können.“
    „Ich habe dies soeben von Helmers erfahren. Aber es soll alles nachgeholt werden, denn es ist noch Zeit genug vorhanden. Komm' mit auf mein Zimmer, wir haben uns sehr viel zu erzählen.“
    „Gewiß, Otto, jedenfalls aber ich dir mehr, als du mir.“
    Die Freunde zogen sich jetzt aus dem nicht verschwiegenen Gastzimmer zurück, so daß Helmers in der sehr angenehmen Lage war, noch ungestört einige Glas Rum trinken zu können. – – –
    Als Flora am gestrigen Tag von ihrem Ausgang zurückkehrte, fand sie den Vater schlafend. Der Notar hatte ihn mit den drei Zeugen eben verlassen, die lange Konferenz hatte ihn so angestrengt, daß der Schlummer sofort wieder Gewalt über ihn bekommen hatte. Sie zog sich leise zurück, um zu warten, bis er erwachen und nach ihr klingeln werde.
    Dies geschah erst am späten Abend, als Mitternacht bereits nahe war. Sie eilte zu ihm und fand ihn aufrecht auf der Chaiselongue sitzend, ein großes, versiegeltes Schreiben lag auf der Decke vor ihm. Flora eilte auf ihn zu und liebkoste ihn.
    „Wie befindest du dich, mein Vater?“ fragte sie.
    „Ich danke dir, mein Kind“, antwortete er. „Ich habe einen sehr guten Schlummer gehabt, und es ist mir leichter und wohler, als lange Zeit vorher. Dies mag wohl auch mit daher kommen, daß ich eine heilige Pflicht erfüllt habe. Die Pflichterfüllung gibt dem Menschen innere Ruhe und neue Kraft.“
    Sein Blick ruhte auf dem Schreiben, auch ihr Auge fiel auf das große Notariatssiegel, und sie schauderte. Er bemerkte es und sagte, matt lächelnd:
    „Der Anblick dieses Dokumentes ist dir unangenehm? Wie unangenehm wird dir erst sein Inhalt sein! Und doch mußt du ihn erfahren, und zwar noch heute, jetzt gleich. Komm', meine Tochter, setze dich und höre mir zu.“
    Sie gehorchte diesem Befehl und setzte sich neben ihn, aber es standen ihr bereits Tränen in den Augen.
    „Ahnst du, was dieses

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